Review

Willie Lindo

Midnight

Miss You • 1978

Bitte, bitte, nicht von dem Gestöhne am Anfang gleich abturnen lassen und wieder wegklicken. Bei Willie Lindos Gitarren-Reggae »Midnight« von 1975 lohnt es sich, die ersten 25 Sekunden Disco-Intro abzuwarten, denn dann geht es erst richtig los – und praktisch ohne weitere Lustlaute, die wohl der im Titel benannten, vorgerückten Stunde Rechnung tragen sollen. Im Kern ist diese sechsminütige Instrumentalnummer ein herausragendes Beispiel für sophisticated Dub und eine freundliche Einladung, einen der großen Sessionmusiker Jamaikas kennenzulernen. Zu dessen Leistungen gehört unter anderem sein Debütalbum »Far and Distant« (1974) mit der Nummer »Darker Shade of Black«, einem gesellschaftsfähigen Instrumental-Cover des Beatles-Songs »Norwegian Wood«. Auf »Midnight« und der stöhnfreien, etwas kürzeren Version »After Midnight«, die sein Mitstreiter Lloyd Charmers unter dem Namen C.h.a.r.m. beigesteuert hat, demonstriert Willie Lindo jedenfalls unangestrengt souverän, was er mit sechs Saiten alles anzustellen vermag, ohne es in Sachen Tempo mit seinem Kollegen Ernest Ranglin aufnehmen zu wollen. Die Vorlage, »Midnight and You«, lieferte übrigens Barry White. Da dann statt mit Reggae-Riddim mit reichlich Streichern.