Noch während die Bombardements in der Ost-Ukraine begannen, gab Volodymyr Gnatenko (vormals Vladimir) seinem Debütalbum den finalen Schliff. Seit Beginn der Pandemie trat der Produzent aus Lutsk nicht nur auf ukrainischen Labels wie LSS557 und Rhythm Büro in Erscheinung, sondern releaste auch beim britischen Animals On Psychedelics und den Italienern von Where We Met beachtliche EPs voller Detailreichtum und brillanten Produktionskniffen. Live-Gigs in Kiewer Clubs wie dem Closer folgten, eine kleine Tour durch Europa war geplant – dann musste er sich mit Freunden in seinem Studio verschanzen. Statt wie Millionen andere zu fliehen, entschied sich Volodymyr Gnatenko zu bleiben. Zu wichtig waren die Arbeiten an »Rainalice«, das nun via Kalahari Oyster Cult erschienen ist. Schon wenn die ersten Beatsequenzen des Titeltracks geometrische Figuren durchs Innenohr ziehen, wird auch verständlich warum: Gnatenko ist es zwischenzeitig gelungen, all die Qualitäten seiner Live-Sets und EPs – von nostalgischem Warp-IDM über Acid-Cuts bis zu vollmundigen Ambient-Pads – in eine konsistente Signatur zu kanalisieren, deren Maxime Understatement ist. So klingt »Vrede« als sei es einem nie erschienenen »Artificial Intelligence«-Sampler von ’92 entnommen, wenn es zwischen perfekt gemischten Drum-Shots und einer bläulich aufschimmernden Melodie längst verloren geglaubte Erinnerungen weckt, die genauso gut Träume aus einem anderen Leben sein könnten. So weit geht Volodymyr Gnatenko sogar selbst. Auch im gluckernden Mahlstrom von »Geluk« oder dem hypnotischen »Adal Heid« entwirft er zunächst formvollendete Break-Skulpturen, die er nach und nach in einen dichten Haze aus Ambient Techno, Trance und Downtempo hüllt. Wie lange er daran gefeilt hat, auf wieviel er dezidiert verzichtet, ist in jedem Moment hörbar – unter welchen Bedingungen die Tracks entstanden nicht. Denn »Rainalice« ist eine in sich ruhende Arbeit, eine produktionstechnische Rarität, die dem Wahnsinn dieser Tage mit stoischer Eleganz entrinnt.
Rainalice