Review

Vert

The Days Within

Shitkatapult • 2015

Man merkt schnell, dass man bei Vert gut aufgehoben ist: In seine Songs lässt es sich fallen wie in tiefe Polster, die einen alsbald ausknipsen und in den inneren Bilderfluss entheben. Man ist es aber auch, weil es Adam Butler, der Person hinter dem Projekt, wie schon öfter auch hier wieder gelungen ist, aus negativem Impuls oder Rückschlag nicht nur schöpferische Kraft, sondern auch künstlerische Richtung zu gewinnen, die Mal um Mal einzigartiger wird. Einst war es das Skateboard, das nach einem Unfall den Weg freigab fürs Breakbeat-Elektronica-Projekt, dann ein Einbruch ins Studio, der auf die musikalischen Wurzeln im britischen Pop um 1980, aber auch in Ragtime und Jazz besinnen ließ und in »Some Beans & An Octopus« zu einem farbenreichen, zeitumspannenden, auch wortlastigen Album gerann. Das war vor neun Jahren, musikalisch schien alles gesagt, es folgte ein Roman und Vaterschaft. Dass Vert nun noch einmal angesetzt hat, dafür ist der Verlust des eigenen Vaters verantwortlich, der uns wohl (so rate ich) auf dem Cover entgegenblickt. »The Days Within« schürft noch tiefer, in eine Zeit, die Adam Butler selbst sich fast nur noch aus Relikten rekonstruieren kann, und dass er sie hier als emotionales Destillat und nicht als Antiquitätensammlung präsentiert, ist Gold wert. Wie Momus und A.J. Holmes ist Vert (im Gegensatz zu jenen noch in Berlin zu Hause) ein Geschichtenerzähler, der aus tiefreichender britischer Pop-Tradition heraus operieren kann, aber ein inwärts gewandter. Klappernde Percussion und melodisches Treibgut, Orgel, Pianola, Streicher oder Bläser spülen zu seinen Versen von einem Ohr zum anderen, durch die Dub-Schemen einer Kajüte oder Hafenbar, als schunkelndes Klanggespräch gewordene Erinnerungen, und der Schaum eines alten, verlorenen Englands, von Fernweh und Geborgenheit säumt die Rillen. Es ist faszinierend zu hören, wie Vert das Gefühl, um das es ihm geht, übers Album als Ganzes in die Gegenwart holt, ohne jene zu verlassen oder zu verraten. So viel Wahrhaftigkeit wünscht man sich öfter.