Disco war der größte Motor der musikalischen Globalisierung seit dem Rock’n’Roll: Ein simples Prinzip, das in den meisten Teilen der Welt enthusiastisch aufgenommen und entsprechend lokaler Gepflogenheiten neu interpretiert wurde. Was in Schweden, Italien und Bayern funktionierte, geschah auch in Zentralasien während der UdSSR-Ära. Mit »Synthesizing the Silk Roads: Uzbek Disco, Tajik Folktronica, Uyghur Rock & Tatar Jazz from 1980s Soviet Central Asia« hat das sowieso immer zuverlässige Label Ostinato in Zusammenarbeit mit Maqom Soul aus Usbekistan die vielleicht schönste Disco-Compilation der letzten Jahre herausgebracht. Sie hat sogar – der Titel macht es deutlich – noch viel mehr zu bieten als lediglich neue Rezepte für die zwei Jahrzehnte zuvor in New York City erfundene Four-to-the-Floor-Formel. Alle 15 Tracks wurden in der usbekischen Hauptstadt Taschkent aufgenommen – einem Brennpunkt der sowjetischen Musikindustrie, Sitz des Presswerks Tashkentski Zavod und einiger Szene-Heads mit Verbindungen in die USA und nach Japan, das heißt der Möglichkeit, unter der Hand Synthesizer und Drummachines zu importieren. Eben jene prägen natürlich einige der Tracks.
Ein frühes Highlight ist Angelina Petrosova mit einem Stück, das Italo-Disco-Vibes mit funkiger Rockgitarre verbindet – ein Hit unter vielen sonderbaren Smashern. Khurmo Shirinovas Sound zeigt sich dem vom Philly Sound beeinflussten Disco verpflichtet, die drei Stücke der Gruppe Original verblenden Post-Punk-Understatement mit Italo-Disco-Überschwang und kosmischen Untertönen, Ismail Jalilov stöhnt und kreischt als Frontmann der Band Synthesis (sic!) wie ein usbekischer Lee Moses. Alle diese Künstler*innen brachten ihre jeweiligen kulturellen Hintergründe in Disco, Soul und Rock ein, verliehen jedem Stück eine noch nachhallende, widerstandsfähige Freude – einige von ihnen landeten aufgrund ihrer Aktivitäten auf der Liste des KGB. Die Sowjetunion wird immer noch als ein weitgehend einheitliches Gebilde betrachtet und den Kulturen seiner Mitgliedsstaaten, sofern sie nicht gerade Russland heißen, wenig Aufmerksamkeit geschenkt. »Synthesizing the Silk Roads« kann dies vielleicht nicht in der Breite korrigieren. Für diejenigen aber, die mehr über die Vielfalt der UdSSR erfahren möchten, ist es die bestdenkbare und vor allem unterhaltsamste Geschichtsstunde überhaupt.