Es mag ein Klischee sein, doch irgendwie kann man die Ursprünge der jüngeren Musik fast immer im Reggae finden. Lange bevor etwa Sampler üblich waren und Songs aus den geloopten Bestandteilen anderer, älterer Songs gebastelt wurden, betrieb man im Reggae schon Recycling im großen Stil. Als Musiker wie Sugar Minott in den siebziger Jahren anfingen, Riddims aus den Sechzigern zu benutzen, um im Studio daraus neue Songs mit eigenen Texten zu basteln, wurde für Coxsone Dodds Label Studio One eine ungeahnte Zweitverwertungswelle des Backkatalogs eingeleitet. Dazu etablierte sich als bevorzugter Gesangsstil das Toasting, dieser Proto-Rap mit seinem typischen Singsang-Tonfall. Auf »Studio One Dancehall« gibt es neben Stars wie Sugar Minott und Johnny Osbourne wieder die eine oder andere Rarität zu bestaunen, das rührende »Peace Truce Thing« von DJ Dawn & The Ranking Queens ist nur eine davon. Dass im Dancehall auch Instrumentals möglich waren, dokumentiert das achtminütige »Rebel Disco« der In-House-Band von Studio One, Brentford Disco Set. Und dass die Arbeit mit vorgefertigtem Material mitunter etwas krude geraten konnte, bekommt man in Doreen Schafers »I Don’t Know Why« deutlich zu spüren, wenn auf halber Strecke der Riddim beim nochmaligen Einsetzen kurz aus dem Takt gerät – das Ganze wiederholt sich später noch einmal im Stück. Hier musste es wohl schnell gehen, selbst wenn man die Queen of Jamaican Ska verpflichtet hatte. Die restlichen Nummern geben sich dafür weniger ruppig.
Studio One Dancehall