Review Jazz

Various Artists

Spiritual Jazz 3

Jazzman • 2012

Um Musik beurteilen zu können muss man Sie im Kontext ihrer Zeit verstehen. Was John Coltrane äußerte, war nicht nur einfach der Wunsch oder die Notwendigkeit nach Neuerung im Jazz. Sondern ein sich manifestierender Aufschrei einer ganzen Generation Afroamerikaner, die nach Freiheit langte, welche man in sich selber zu finden suchte. Auf diese Weise wurde Spiritualität als unerschöpfliche Quelle uneingeschränkter Selbstbestimmung entdeckt. Die Jugend der Sechziger, wie in fast jedem Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts mit einer ähnlich subversiven Fragestellung beschäftigt, und ohnehin schon auf dem Weg einer vom Staatsapparat losgelösten Selbstfindung, nahm sich schnell der Bewegung an. Der »Spiritual Jazz« begann seinen interstaatlichen Eroberungsmarsch und ertönte bald darauf auch über den grossen Teich hinweg. Heutzutage kann diese Art von Musik sehr befremden. Das Ausbleiben herkömmlicher Arrangement-Strukturen, die dem Jazz sowieso schon inhärente Improvisation, die hier ins schier Unermessliche ausufern kann, die Ungebundenheit seinem Ausdruck freien Lauf zu lassen, und wenn es das Herz so begehrt oder die Seele fordert, den Unmut in Form eines Grunzens in die Welt zu schreien; salonfähig ist das alles wahrlich nicht. Aber genau darum ging es halt: sich selbst näher zu kommen indem man sich vergisst und über seine Grenzen hinwegsetzt. Gewiss ist diese Musik nicht für Jedermann. Und auch findet man auf dieser Scheibe nicht die klassischen Stücke dieses Genres, die einem den Zugang zu dieser Welt vereinfachen könnten. Gerald Short alias Jazzman kommt es auch gar nicht darauf an. Vielmehr geht es ihm darum uns aus den Untiefen der Plattenindustrie die verschollenen Schätze zur Verfügung zu stellen, die aufgrund vermeintlichem Fehlens von Rentabilität kaum oder gar keine Beachtung bekamen. Ironischerweise lässt sich der fehlende materialistische Profit dieser Aufnahmen in einem dazu reziproken inneren Wert ihrer Autoren und Hörerschaft messen. Ganz davon zu schweigen, dass die Originale der vorgestellten Stücke heutzutage sehr viel Geld und noch mehr Zeit des Aufsuchens kosten würden. Beim Betrachten der Titel wird dem Kenner der Kauf obligat sein. Full Moon Ensemble, Dennis Wiley oder aber das Crescendo Quintet klangtechnisch aufgebessert und erstmalig wiederveröffentlicht. Da erscheint der Preis wenn überhaupt nur symbolisch. Dem bloß Interessierten sei vorab gesagt wie einzigartig und auch merkwürdig diese Musik ist, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.