Alle lauschen Richtung Japan, doch hat es zwischen Haruomi-Hosono-Reissues und City-Pop-Compilations nur selten den Anschein, als würde sich jemand nennenswert für die musikalische Gegenwart des Inselstaats interessieren. Anders Markus Acher von The Notwist der mit seinem Label Alien Transistor einen nachhaltigen Austausch mit Teilen der dortigen Indie-Szene aufgenommen hat. Gerade erst wurde die massive Albumreihe »Music Exists« des Duos Tenniscoats mit einem umfangreichen Box-Set zum Ende gebracht, da heißt es schon »Alle hingeschaut!«. So zumindest lässt sich der Titel von »Minna Miteru« übersetzen. Die Compilation erscheint parallel zum neuen Album von Spirit Fest der deutsch-japanischen Supergroup aus dem Alien-Transistor-Umfeld, auf dem verbandelten Berliner Label Morr Music und bietet einen umfassenden Einblick in die Indie-Szene Japans. Gefiltert wurde dieser von Saya Ueno von Tenniscoats und dementsprechend bewegt sich »Minna Miteru« über 27 Songs hinweg auch nah am Koordinatensystem der Musik, welche sie selbst mit ihrem Partner Takashi macht: Minimalistischer Folk mit Hang zum Twee und intimer Atmosphäre überwiegt, eine naiv-melancholische Grundstimmung durchzieht die Stücke. Zwischen eindeutigen Referenzen auf westlichen Sixties-Pop gehören auch japanische Bands wie Happy End zu den Stifterfiguren dieser Sounds, wobei die durchaus nicht als nostalgisch zu verstehen sind. Denn genauso lassen sich auf »Minna Miteru« Ausbrüche Richtung Jazz, frickeliger Electronica und sogar noisige Intermezzi mit weitgehend freiförmiger Musik ausmachen. Die Kunst der richtigen Zusammenstellung indes bringt all das in einen seichten Fluss. In den wiederum lohnt es sich tiefer einzutauchen und die einzelnen Bands und Künstler*innen zu entdecken. Denn Japans Indie-Gegenwart, wie sie hier kaleidoskopartig vorgestellt wird, ist quietschlebendig und will unbedingt entdeckt werden. Also: Alle hingeschaut!
Minna Miteru