Ein Kollege klagt manchmal, dass in jüngerer Zeit der Bandgedanke, das Zusammenspielen mehrerer Personen mit verteilten Rollen, zugunsten von tendenziell narzisstischen Soloprojekten vernachlässigt würde. Also Musik komplett aus einer Hand bzw. zwei Händen, im Alleingang am Computer oder mit anderen Instrumenten hervorgebracht, ohne die Abstimmung untereinander oder das Ringen um eine gemeinsame Sache. Doch es gibt auch andere Entwicklungen. Etwa das sich stetig erneuernde Phänomen Jazz, bei dem in der Regel das Kollektiv oder zumindest das Duo zu den üblichen Erscheinungsformen gehört. Selbst Musiker, die solo spielen, tun das im Jazz selten ausschließlich. Der Wunsch nach Dialog gehört zu sehr zur Lebendigkeit der Sache hinzu, als dass man es auf lange Sicht ganz allein mit sich aushielte. Gutes Beispiel für eine neue Generation von Jazzern, die auch eine neue Generation von Hörern erreicht, ist die seit einiger Zeit explodierende Londoner Jazzgemeinde. »Kaleidoscope: New Spirits Known & Unknown« stellt sie mit einem perfekt gewählten Titel vor. Denn der Eindruck von Einheit, den diese 21 Titel vermitteln, entsteht trotz individuell recht unterschiedlicher Stile, ist in sich gebrochen, ohne ein unstimmiges Bild abzugeben. Manche Kollektive, wie das Levitation Orchestra, vereinen sogar in einem einzigen Stück diverse Stile. Andere, Matthew Halsall & The Gondwana Orchestra zum Beispiel, konzentrieren sich mehr auf die »Spirits« im Untertitel. Funk hat in dieser Zusammenschau ebenso seinen Platz (Tenderlonious and The 22a Arkestra, The Expansions u.a.), und auch Hector Plimmers elektronischer Ansatz ist willkommen. Der Londoner Saxofonstar Nubya Garcia tritt als Gast von Joe Armon-Jones & Maxwell Owin in Erscheinung, und mit Makaya McCraven gibt es Besuch aus den USA mit handgespielten Breakbeat-Abstraktionen. Rejoice!
Kaleidoscope: New Spirits Known & Unknown