Es war ein gutes Jahr für Nina Kraviz Okay, das waren die letzten fünf auch, dieses aber war besonders. Als die kosmopolitische Russin im Herbst letzten Jahres mit трип (lies: Trip) ihr eigenes Label gründete, konnte wohl selbst eine gewiefte Business-Frau wie sie nicht absehen, wie sehr es damit abgehen würde. Neben Kraviz‘ Beiträgen selbst waren es vor allem zwei Personen, die трип die notwendige Geschwindigkeit verpassten: Der Isländer Bjarki, dessen »I Wanna Go Bang« zweifellos einer der erfolgreichsten, das heißt meistgespielten Techno-Tracks des Jahres war. Auch war da Barcode Population, ein angeblich russischer Produzent, der in den neunziger Jahren lediglich eine 12“ veröffentlichte und der mit der трип-Compilation »De Niro Is Concerned« sein Comeback feierte. Roher, schneller Acid Techno, genau nach Kraviz‘ Geschmack. Um wen es sich handelt, steht immer noch nicht fest, sein Comeback wird mit »’Ivan, Come On! Unlock The Box!’« jedoch handfest. Gleich zwei Tracks von Barcode Population finden sich auf der neuen Compilation, die neben russischen Youngstern wie Vladimir Dubyshkin und Roma Zuckerman sowie etablierteren Acts wie Philipp Gorbachev und Nikita Zabelin auch die oft zu Unrecht übersehene Detroiterin K-HAND umfasst. Detroit ist auch der feste Referenzpunkt des трип-Sounds, vor allem der ebenso sture wie psychedelische Techno von Kraviz‘ persönlichem Held Terrence Dixon. Über Gorbachevs muffigem Auftakttrack über Zabelins dezente Jeff Mills-Hommage »Bells« bis hin zu Kraviz‘ eigenem modularem Power-Sound spannt »’Ivan, Come On! Unlock The Box!’« einen konsequenten Bogen, der sich zwar eindeutig auf den Dancefloor eingeschossen hat, nicht jedoch für Kompromisse bereit ist. Highlights sind aber tatsächlich die beiden Vinyl-Only-Nummern des ominösen Barcode Population (nebenbei gesagt: nennt sich oben genannter Terrence Dixon nicht Population One?), deren vertrackter, atemloser Sound die Poetologie von Kraviz’трип avant la lettre ausformuliert zu haben schien. »’Ivan, Come On! Unlock The Box!’« ist eine Toolbox für verschwitzte Basement, zugleich aber auch das stärkste musikalische Statement des zwar jungen, aber beeindruckend erfolgreichen Label.
Various Artists
Locus Error
Trip/трип