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Heisei No Oto – Japanese Left-Field Pop From The CD Age (1989-1996)

Music From Memory • 2021

Wenn es in dieser Geschwindigkeit weitergeht, kommt der Japan-Reissue-Hype schon nächstes Jahr in der Gegenwart an. »Heisei No Oto«, der »Sound der Heisei-Zeit« also, lautet der Titel einer neuen Compilation auf Music From Memory. Diese brach Anfang des Jahres 1989 an und endete 2019, bildet also einen wichtigen Baustein in der Geschichtsschreibung eines Landes, das nach dem Platz der »bubble economy« in eine Wirtschaftskrise schlidderte und sich doch dank international erfolgreichen Kulturprodukten wie Anime sowie technologischen Fortschritten immer mehr im weltweiten Bewusstsein etablieren konnte. Zu einer der Errungenschaften gehörte die CD, die vom japanischen Unternehmen Sony mitentwickelt wurde und die Musikindustrie in kurzer Zeit umwälzte. Auch in Japan, wo sich das Format bis heute großer Beliebtheit erfreut – nirgendwo werden mehr CDs gekauft. Für »Heisei No Oto« allerdings wird in die Vergangenheit gegriffen, in die Jahre 1989 bis 1996, und dabei nicht zum Offensichtlichen. Es geht um »Left-Field Pop« verrät der Untertitel, das heißt schrulliger Musik, die sich bisweilen an den von Pizzicato Five und Co. pioniertem Shibuya-kei angrenzen und sich beherzt in musikalischen Vergangenheiten und vielen verschiedenen Stilen bedient. Dabei sind dann auch unter anderem Gruppen wie die Haruomi Hosono produzierte All-Star-Band Love, Peace & Trance, das P-Model-Mitglied Tadahiko Yokogawa, die Colored-Music-Sängerin Ichiko Hashimoto und andere, die den Zenit ihres Erfolgs bisweilen schon überschritten hatten oder heutzutage kaum mehr als Fußnoten in der japanischen Musikgeschichte gelten. Mit ihrer Zusammenstellung zerren sie Eiji Taniguchi und Norio Sato nicht nur wohlverdient wieder ins Rampenlicht, sondern bringen ihre Musik auch in einen einnehmenden Fluss. Über esoterische Klänge arbeitet sich die Compilation langsam zu Synth-Pop und Yosui Inoues funkigem Überhit »Pi Po Pa« – bereits auf der ersten »Pacific Breeze«-Compilation von Light in the Attic enthalten – vor. Der Mittelteil wird wieder ahnungsvoller, melancholischer, bevor mit den Beiträgen von unter anderem Poison Girl Friend, Dream Dolphin oder Keisuke Sakurai deutlich gemacht wird, dass auch in Japan ebenso zumindest eine sanfte Brise vom Second Summer of Love in Ibiza und Großbritannien zu verspüren war. »Heisei No Oto« zeichnet kein allgemeingültiges Bild japanischer Popmusik zu diesen Zeiten nach, sondern pickt sich wunderbar verqueren und träumerischen Pop heraus, wie er eher in der Tradition der beiden spuligen »Kumo No Muko«-Compilations auf Jazzy Couscous steht – und jetzt zum ersten Mal auf Vinyl veröffentlicht wird. Ein bisschen wird das Rad der Zeit eben doch zurückgedreht.