»Achja«, mag man denken, »jetzt will Tony McCarroll auch noch mal an die Oasis-Kuh ran, die im gerade beendeten letzten Jahr von anderen Ex-Mitgliedern bereits zu Genüge gemolken wurde«. Und tatsächlich stehen hier einerseits noch mal alle Zeichen auf Ausverkauf, und andererseits auf verspätete Rache eines ehemaligen Bandmitglieds. Aber noch einmal kurz zurück auf Anfang. McCarroll war Gründungsmitglied der jungen Oasis, nahm Definitely Maybe – das erste und dem Konsens der Popkritik zu Folge beste aller Oasis-Alben – mit auf und verließ die Band nach dessen Veröffentlichung aufgrund interner Querelen und Egotrips. Die offizielle Verlautbarung der Band zu McCarrolls Ausstieg bezog sich auf die nicht ausreichenden Qualitäten McCarrolls als Drummer. Und genau das wurmt den Iren besonders. So zitiert er verschiedene Stellen (aus Presse und Aussagen von Wegbegleitern), die seinen Anteil am Erfolg des Debüts deutlich machen, um die Aussage der Band zu widerlegen und sein Ego auch 20 Jahre danach noch zu stärken. Hier verfestigt sich zunächst der Eindruck, dass Die Wahrheit über Oasis eine Abrechnung einer gekränkten Seele ist.
Doch McCarroll bleibt fair, kartet kaum nach. Vielmehr versucht er tatsächlich die Zeit, in der Oasis entstanden ist, das trostlose Manchester unter Maggy Thatcher und die ersten Tourjahre so detailliert wie möglich darzustellen. Und es gelingt ihm ganz gut. So erfährt man, dass Liam Gallagher, dem man heute oft Effekthascherei und PR-Geilheit vorwirft, bei der ersten Begegnung mit McCarroll bereits genau so drauf war. Noel hingegen kommt nicht gut weg. Er wird am Beispiel zahlloser Anekdoten als haltloser, im Schatten seines Bruders stehender Raufbold charakterisiert. McCarroll schafft es erstaunlicher Weise die Jugendjahre, die Zeit mit The Rain und die Anfangstage von Oasis, die der Band zu Weltruhm verhalfen, spannend und witzig darzustellen. Für Oasis-Fans ist dieses Buch absolut empfehlenswert. Es empfiehlt sich jedoch zur englischen Ausgabe zu greifen, um den Sprachwitz und die Ehrlichkeit, die in der deutschen Ausgabe nur erahnt werden kann, vollends zu erfahren. Denn bei der Übersetzung, scheint vieles nicht so transportiert zu werden und viele Passagen wirken deshalb plump, holprig und unspannend.