Was macht eine gute Filmmusik aus? Soll sie untermalen, unterstreichen, soll sie interpretieren, soll sie sich zurückhalten oder dominieren? Was steht im Vordergrund? Bild oder Musik? Oder sind Film und Musik als Gemeinschaftsprojekt und somit als Gesamtkunstwerk zu betrachten: Das eine funktioniert nicht ohne das andere? Die Tindersticks machen seit 1996 immer wieder Musik für die Filme der französischen Regisseurin Claire Denis. Sechs Soundtracks sind bis 2009 entstanden, vier davon bisher unveröffentlicht. Nun zeigt die britische Band mit einer Sammlung der Calire Denis Film Scores 1996-2009, dass ihre Filmmusik auch ohne den Film funktioniert, ohne die Bilder vor Augen zu haben, denn die entstehen hier beim Hören von selbst. Meist ohne einen Songtext, der eine Geschichte erzählt, nur durch die treibende, die ruhende, die akzentuierte Musik bekommt der Hörer ein bestimmtes Gefühl, eine Ahnung von der Geschichte, die hier erzählt wird. So ist z.B. die Musik, die Bandleader Stuart A. Staples für 35 Rhums 2008 geschrieben hat, kindlich, sehnsüchtig, melancholisch, sie sträubt sich gegen Veränderung und kann dem Lauf der Zeit am Ende doch nicht entkommen. Die Musik konzentriert hier in wenigen Minuten das Thema und die Problematik des Films, der von einer unzertrennlichen Vater-Tochter-Beziehung erzählt. Es ist, als würde die Musik hier den Film interpretieren und gleichzeitig der Film die Musik – und das ist wohl die grüßte Leistung dieses kleinen Gesamtkunstwerks.
Claire Denis Film Scores 1996-2009