Was eigentlich ist in den letzten 15 Jahren schief gelaufen, dass die Noise-Szene plötzlich ihre internationale Helden bekam? War das nicht immer genau das Gegenteil von dem, was alle wollten? Tim Hecker zumindest ist nach Merzbow wohl die bekannste Figur der Szene, anders als Merzbow aber hören die Leute tatsächlich hin, wenn er mal wieder eine neue Platte veröffentlicht. Das liegt natürlich daran, dass Tim Hecker in erster Linie Musik macht und nur in zweiter Instanz mit Krach arbeitet, was eben verträglicher ist und Identifikationspotenzial zulässt: Da liegen schließlich noch Melodien zum Mitsummen unter viel Schutt und Staub verborgen. Nachdem er für »Virgins« christlichen Pomp zersetzte und für seine letzte Platte »Love Streams« einen Chor einlud um, nun ja, über die Romantik in Zeiten des Tinderns nachzudenken, folgt mit »Konoyo« nun seine LP über Raum: Kollaboriert wurde mit dem Tokyo Gakuso-Ensemble, ihr Titel lässt sich angeblich in »Die Welt hier drüben« übersetzen und Inspiration kam von einem Freund, der sich nicht mehr hier drüben und stattdessen dauerhaft im Jenseits befindet. Aber: Macht das Thematische am Ende den Unterschied? Überraschenderweise schon. »Konoyo« klingt aufgeräumter und somit dynamischer, gleichzeitig aber greller und doch erschöpfter. Dezente Vierte-Welt-Effekte kreuzen sich mit elegischen Tönen, das Unbekannte wird ebenso erfahrbar gemacht wie der Verlust, soll heißen die Abwesenheit einer geliebten Person, Abenteuerlust und Erschöpfung kreuzen sich. Mehr noch als andere Alben ist »Konoyo« damit ein persönliches oder zumindest emotionales Statement und Hecker plötzlich nicht mehr der große Held, zu dem er spätestens mit der Veröffentlichung von »Ravedeath, 1972« stilisiert wurde. Sondern nur jemand, der sich nicht anders zu helfen weiß. Das hat auf vielen Ebenen etwas Tröstliches.
Konoyo