Wer heutzutage Cumbia sagt, kann damit sehr verschiedene Dinge meinen. Schließlich ist die Geschichte dieses Genres nicht nur lang, sondern noch lange nicht abgeschlossen. Im vergangenen Jahrzehnt mehrten sich die digitalen Neuinterpretationen der shuffelnden Rhythmen durch junge Projekte wie etwa Dengue Dengue Dengue. Eine gesonderte Rolle in der Nachlassverwaltung und Weiterdenkung von Cumbia nehmen die Meridian Brothers – übrigens dem Namen zum Trotz keine rein männliche Band, obwohl Mastermind Eblis Javier Álvarez die Alben weiterhin allein einspielt – ein. Das Instrumentarium, der Sound: Alles in ihrer Musik deutet zuerst darauf hin, dass die Gruppe aus Bogotá mit einem Bein tief in der Tradition feststeckt. Das andere indes schert in jede erdenkliche Richtung aus, trippelt mit elektronischen Mittel umher und steppt mit experimentellen Techniken in die Randbereiche eines abgesteckten Reviers vor. So erst recht mit »Cumbia Siglo XXI«, dessen Namen auf die Gruppe Cumbia Siglo XX referiert, eine in den siebziger und frühen achtziger Jahren aktive Truppe, deren Sound auf dem Album aufgenommen und weitergedacht wird. Was nun aber heißt das? Dass Alvarez auf den ersten Blick gar nicht so viel anders macht als auf vorigen Meridian-Brothers-Alben. Gniedelige Synth-Melodien, ratschende Rhythmen, funkelnde Funk-Riffs und psychedelischer Humor – ein »Son of a Preacher Man«-Cover passt immer noch dazwischen – finden zueinander, darüber schwebt Alvarez‘ zittrige, sich überschlagende Stimme: Das alles wird von einem wunderbaren Lo-Fi-Charme und DIY-Spirit getragen, geht meistens in die Beine und manchmal sogar nah. Denn wenn bei den Meridian Brothers von Cumbia die Rede ist, bedeutet das vor allem eins: Liebe, Leidenschaft und Losgelöstheit – von der Tradition und dem Sich-selbst-zu-ernst-Nehmen.
Cumbia Siglo XXI