The Master Musicians of… Was? Marokkos vermutlich bekanntester Musikexport existiert bereits seit Jahrzehnten in zwei Ausführungen. Nachdem zuletzt ein Reissue der von Bachir Attar geleiteten Master Musicians of Jajouka eingespielten LP »Apocalypse Across The Sky« über Zehra erschien, legt die von Ahmed Attar angeführte Gruppe unter dem seit 50 Jahren stehenden Namen nun eine mehr oder minder neue Platte vor: »Live in Paris« wurde im Jahr 2016 im Rahmen einer Ausstellung über die Beat-Generation aufgenommen und zuerst als Promo-CD während einer Japan-Tour im Folgejahr verkauft, liegt aber nun dank des taufrischen Labels Unlistenable als Doppelalbum vor. In gleich zwei Titeln der sechs Stücke – von denen das letzte eine ganze LP ausfüllt – fällt der Name Brian Jones’, dem Rolling-Stones-Gitarristen, der den Berber-Sufi-Trance-Sound mit der Veröffentlichung von »Brian Jones Plays With The Pipes Of Pan At Joujouka« erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt hatte. Im Vergleich zum 50 Jahre alten Durchbruchsalbum klingt »Live in Paris« weniger abwechslungsreich und extrem und stattdessen routinierter, professioneller – nach Meistermusikern, die eben nicht auf dem staubigen Boden, sondern in einem Auditorium sitzen und nach jedem Stück artig den Applaus aufbranden lassen. Der Hauptakzent liegt auf den wirbelnden Handdrums, deren bauchigen Rhythmen im ersten Teil von zirkulierenden Flöten umspielt und im zweiten die Grundlage für Chorgesänge und Soli von Abdeslam Boukhzar bieten. »Boujeloud« rollt über knapp 44 Minuten aber das irrlichternde Chaos aus, das die Musik von Joujouka schon immer so anziehend macht: Die quietschenden Flöten plärren durcheinander, die Grooves poltern unberechenbar durch den Raum und nach einem schweißtreibenden Crescendo entlädt sich alles in einem letzten Kreischquietschen der Rhaitas. Applaus, fertig, aus. »Live in Paris« steht stilistisch ganz in der Tradition dessen, was in den Ahl-Srif-Bergen seit Jahrhunderten zu hören ist. Doch klingen die Master Musicians of Joujouka heutzutage musikalisch aufgeräumter und dank des Settings von all den Nebenbeigeräuschen bereinigt, welche den frühen Aufnahmen ihre maßgebliche Strahlkraft verliehen. Die wird am ehesten auf »Boujeloud« wieder greifbar.
Live In Paris