Review

Tatiana Golova

Räume kollektiver Identität

Transcript • 2011

Tape des Jahres 2024

Manche Begriffe scheinen so allgegenwärtig, dass man sich vergisst zu fragen, was sie eigentlich bezeichnen. »Szene« ist solch ein Wort und obwohl man unter Rückgriff auf Erfahrungswerte glaubt zu verstehen was Tatiana Golova meint, wenn sie von der »linken Szene« in Berlin spricht, sind die identitätsstiftenden Momente und Strukturen einer solchen Wir-Konstitution dann schon nicht mehr so einfach nachzuvollziehen. Genau dem will Golova auf den Grund gehen, beginnt dort, wo sich eine Szene materialisiert, sich zeigt: in den Räumen. Das Ziel von Räume kollektiver Identität – Raumproduktion in der »linken Szene« in Berlin sei, so formuliert sie einleitend, »unter Rückgriff auf die Konzepte der Bewegungs- und Raumsoziologie einen theoretischen Entwurf zu formulieren, mit dem räumliche Mechanismen in Prozessen der Wir-Kostitution erfasst werden können«. Sie spannt den Bogen also noch weiter, stellt die These auf, dass erst durch die Schaffung von Räumen sich ein Wir konstituieren kann. So soll ihr die »linke Szene« in Berlin nur als Beispiel dienen, um prinzipielle Mechanismen von kollektiver Identität aufzuzeigen. Dies gelingt ihr in dem streckenweise zu textlastigen Werk, dienen doch die Beispiele und Ausschweigungen nicht immer der Präzision in der Sache, nicht vollends, da die spezifischen Bedingungen der portraitierten Szene zu Gunsten der großen These zunehmends außer Acht gelassen werden. Dennoch bietet »Räume kollektiver Identität« spannende und ungewohnte Perspektiven auf kollektive Räume, wenn etwa Szenekneipen zum soziologischen Labor der Identitätsbildung werden. Tatiana Golova hat, das macht ihre Arbeit lesenswert, hingehört und zugesehen und begegnet, wenn auch getrieben von ihren Thesen, den Räumen und Menschen mit einer erfrischenden Neugier und Unvereingenommenheit, die man sonst in Diskursen um eben jene Szenen vermisst.

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