Michael Gira scheint mit seinem Band-Projekt Swans die Dimension Zeit gänzlich anders zu interpretieren als in vergleichbaren musikalischen Kontexten üblich. Schon immer waren die Singles mindestens sechs Minuten lang, passten die Alben – wenn überhaupt – mit Ach und Krach auf Doppel-Vinyl – und das ist auch stolze 40 Jahre nach dem Debüt so. Auf dem 16.Studioalbum findet sich mit »The Beggar Lover (Three)« nun ein sage und schreibe 44-minütiger Song-Monolith, der collagenhaft und zäh wie Magma in alle Richtungen zerfließt und wie eine träge Naturgewalt allerlei menschliche Befindlichkeiten vor sich herschiebt und schließlich zermalmt und verschlingt.
Mit 69 Jahren beschäftigt Gira natürlich die eigene Vergänglichkeit (»Michael Is Done«), die Unausweichlichkeit des Todes und auch das, was danach kommen könnte. »The Beggar« ist aber kein typischer Schwanengesang wie etwa David Bowies »Blackstar« oder Leonard Cohens »You Want It Darker«, sondern für Swans-Verhältnisse fast schon irritierend optimistisch. Industrial und Country-Folk, Drones und Gospelchöre, viele langsame Steigerungen und wenige brachiale Eruptionen sind dabei nach wie vor die Mittel der Wahl. Ob das Ganze letztlich unzeitgemäße Musik von alten weißen Männern ist oder zeitlose Klangkunst, muss allerdings am Ende jede/r selbst entscheiden – zwei Stunden Lebenszeit in »The Beggar« zu investieren, kann auf jeden Fall sehr lohnend sein.
The Beggar