Jeder Depp ist sich seiner Wurzeln bewusst geworden, hat sich im Zeitgeschehen verortet, sich zugeschrieben und abgrenzt, gesagt: Das bin ich! Und das bin ich nicht! Herkunft! Was wurde nicht darüber geredet die letzten Jahre. Wie wohltuend, dass hier mal wieder jemand an diesen brutalen und magischen Ort zurückkehrt, den Wohnort der Kindheit/Jugend, ohne daraus eine Abhandlung über die eigene Identität zu verfassen. Sun setzt sich auf einen Hügel und sagt: »I Can See Our House From Here«. Ein Ausruf mit kindlicher Naivität und Begeisterungsfähigkeit –– beides wird vom Sound direkt überführt in eine Melancholie, wie sie nur Erwachsene haben können, die das Vergehen der Zeit und dessen Ergebnisse bereits schmerzlich verinnerlicht haben. Mit Banjo und Trompete vermitteln gleich die ersten Töne: Hier geht es um den Moment der Wahrnehmung. Um etwas also, das zerbrechlich ist wie die Sau, obwohl es die Masse der Welt in sich trägt. Diesen Ausdruck haben schon andere bekannte Instrumental-Träumer vermittelt. Four Tet 2003 mit »Rounds«, Gold Panda sieben Jahre später mit »Lucky Shiner«. Zwei Alben, die mit ihren liebenvollen Miniatur-Sounds die Abendsonne durch den Roggen fallen ließen.
»I Can See Our House From Here« nimmt den Faden dieser Alben wieder auf. Auch Andreas Haberl (siehe Alien Ensemble, Notwist) aka SUN hat für sein Solo-Debüt Stücke getüftelt, für die das Glockenspiel charakteristisch ist: Es geht um die Fülle der Kleinheit. Der Hügel vor dem Kindheitsheim. Das Streifen durch seine Zimmer. Nix Großes, aber wie viel darin passiert. SUN drückt es aus, in dem er immer wieder die Tempi verändert und ineinander fließen lässt, Spannungsbögen schafft; Drums kommen und gehen, Synth-Flächen legen sich über die organischen Sounds, Samples reichern das Alltägliche gerade stark genug mit Zwischenweltlichem an, damit sich das Innere in die Darstellung von Räumlichem mischen kann. Feinfühlig, aufrichtig, hingebungsvoll. Und drei, vier Stücke zu lang.
I Can See Our House From Here