Review

Sufjan Stevens

Carrie & Lowell

Asthmatic Kitty • 2015

Das Klischee vom Weniger, das mehr sein soll, ist an sich ja nicht falsch, wird nur etwas zu viel bemüht. Hier trifft es ausnahmsweise einmal völlig zu. Sufjan Stevens, der sich aus Prinzip schon nicht in die Grenzen von Genres einsperren lässt und von allerkleinsten Besetzungen – ein Mann mit Gitarre – bis zu allergrößten – Orchester und eine Art Chor – so ziemlich alles im Repertoire hat, was ihm für seine Zwecke angemessen scheint, hat sich diesmal wieder sehr zurückgenommen. Besonders im direkten Vergleich zum vorangegangenen bombastischen »The Age of Adz« ist »Carrie & Lowell« ein Beispiel für radikale Reduktion. Gesang und Gitarre genügen ihm in den meisten Fällen, um den Tod seiner Mutter Carrie in immer neuen Anläufen zu verarbeiten. Von großer Innerlichkeit zu sprechen, ist noch so ein Klischee, doch die Songs transportieren genau das: Sie wählen einen klagenden, gesammelten Ton, ohne sich in Wehleidigkeit zu ergehen. Sie finden vielmehr eine präzise Sprache für den Schmerz, die ergreift, ohne zu überwältigen. Das heißt nicht, dass das wuchtige »The Age of Adz« gegen »Carrie & Lowell« ein schlechtes Album wäre, es ist sogar ein großartiges Album, doch kann man bei diesen konzentrierten Klageliedern sagen, dass sie so vollendet und dabei so schlicht geraten sind, dass man das Ergebnis als noch einmal großartiger bewundern muss. Einfachheit ist bekanntlich eine (Klischee Nummer drei) schwierige Angelegenheit. Wie schwierig, ahnt man erst, wenn sie so selbstverständlich souverän klingt wie hier.