Folkloristische Musik hat auf die eine oder andere Art immer Konjunktur, in den meisten Fällen allerdings ist sie im wahrsten Sinne konservativ. Seit geraumer Zeit allerdings machen sich verschiedene Projekte daran, ausgehend von volksmusikalischen Konzepten neue, progressive Perspektiven zu eröffnen. Širom bilden eine der Speerspitzen dieser dispersen Bewegung und erweitern ihren Ansatz auf »The Liquified Throne Of Simplicity« in mehrerlei Hinsicht. Einerseits nehmen sich die fünf Stücke umso mehr Zeit und Raum zur Entfaltung – das kürzeste ist 3 Minuten und 40, alle anderen zwischen 16 und 20 Minuten lang – und gehen auch musikalisch in die Breite. Die Klangpalette hat sich darüber allerdings verdunkelt: Das ausgiebige Eröffnungsstück »Wilted Superstition Engaged in Copulation« bringt subtile Rhythmen und nahezu atonale Drones zusammen, bevor »Grazes, Wrinkles, Drifts into Sleep« aus fein verzahnten sanften Klängen ein gewaltiges Crescendo bastelt. Auch das vorsichtig tastende »A Bluish Flickering« und das spannungsgeladene »Prods the Fire with a Bone, Rolls over with a Snake« versprühen eine eher ahnungsvolle Atmosphäre, bevor »I Unveil a Peppercorn to See It Vanish« zum Abschluss melancholisch-sehnsuchtsvolle Töne anschlägt. Es fällt leicht, diesen Duktus einerseits auf die im Hintergrund laufende Pandemie und die damit einhergehende Erosion sozialer Strukturen sowie auf das Wiedererstarken nationalistischer Diskurse im slowenischen Herkunftsland des Trios und anderswo zurückzuführen. Indem sie allerdings Instrumente aus verschiedenen Regionen und Kulturkreisen mit ihren ganz eigenen klanglichen Dimensionen in einen gleichermaßen ästhetisch geschlossenen wie stilistisch offenen Sound integrieren, liefern Širom darauf einen gleich doppelten Gegenvorschlag. Gerade weil »The Liquified Throne Of Simplicity« die freudvollen Untertöne ihrer bisherigen drei Alben fehlen, fällt dieser umso dringlicher aus. Abenteuerliche, aufrührerische Musik.
The Liquified Throne Of Simplicity