Hip-Hop ist keine Frage der Herkunft, sondern der Haltung. Das weiß auch Shogoon. Unter Auskennern begann sich der Mindener vor etwa vier Jahren zum Lieblingsrapper deiner Lieblingsrapper zu releasen (Shindy, Samy oder Jan Delay zählen u.a. zu seinen Förderern). Grund dafür ist zum Beispiel Shogoons latent arroganter Flow, aber auch sein stilsicheres Beat-Making, das allerlei Hip Hop-Insider-Wissen in die Membrane schummelt, ohne gestrig zu klingen. Seine Musik hat Liebe zum Detail, auch auf »Märchen«, Shogoons erstem Album.
Im Kern handelt das Debüt aber von der Akzeptanz der eigenen Biografie. Die Mühelosigkeit mit der Shogi Hip Hop-Easter-Eggs und Lyricist-Ansprüche in Mini-Hymnen presst, lässt fast überhören, dass hier die Gnadenlosigkeit des Aufwachsens als Hip Hop-Alien in »noch nicht mal einer Großstadt« (»Fenster zum Hof«) nacherzählt wird. Es geht um Sorgen, Scheidung, sogar Selbstmord, aber eben auch um Nike Dunks, Krümeltee und Kleiderschrank-Sessions. Es ist eine ehrliche, erfrischend simple Erzählung, die man früher mit »nofilter« behashtaggt hätte. Andere drücken ihren Lebensweg krampfhaft in brennende Mülltonnen, für Shogoon ist jederzeit klar: Bärenkämpen ist nicht die 8-Mile-Road, der Struggle der Armen und Alleinerzogenen trotzdem real. »Märchen« ist ein nüchternes Mittelstandsdrama und zeitgleich eine lässige Antwort auf die Frage, ob du weiße Sneaker tragen, Stax-Vinlys flippen und Rap-Slang sprechen kannst, obwohl deine Wohnungsbaugesellschaft im Hinterhof die Rasenfläche mähnt. Und Sie lautet: Ja. Oder wie Shogoon es rappt: »Das ist nicht kitschig, dasn‘ Vibe«.
Märchen