Inmitten von kybernetischer Selbstregulation und zärtlicher Daseinspoesie rüttelt täglich das Weitermachen, und genau in jene unbequeme Leere pumpt mit 140 BPM Rosa Anschütz‘ »Goldener Strom«. Das Album ist ihr Labeldebüt bei BPitch Control. Und während ihr Erstling »Votive« aus dem Jahr 2020 noch andere Wege ging, knüpft der rotzigere Nachfolger nun an den Erfolg an, den ihr der Kobosil-Remix ihres Songs »Rigid« eingebracht hat. Der Berlinerin gelingt eine clubtaugliche Mischung aus Techno- und Dark Wave-Elementen; über allem erhaben ist aber nach wie vor ihre Fähigkeit, aus internalistischen Prozessen extern Geschichten zu machen. Anschütz nutzt rabiate Beats als Mittel zum Zweck, als Untermalung für ihre erzählten Ehrlichkeiten. Und die kommen dann doch vielgestaltig daher: vom sanften Raunen zu klirrenden Querflöten-Samples (»Sold Out«) über drohenden Sprech- bis zum koketten NDW-Gedächtnis-Gesang. Bezeichnend ist, dass gar nicht erst unterschieden wird zwischen den rauen und ruhigen Seiten des Lebens und der Musik. Rosa Anschütz wirkt wie eine vom Kaputten faszinierte Digitalzeit-Chansonnière mit Punk-Attitüde, erst in der Zerbrechlichkeit selbstbestimmt, erst in der Vorsicht laut. Trotz Kombinierfreudigkeit formen die neun Tracks, die in möglichst kurzer Zeit mit Stamm-Mitproduzent Jan Wagner aufgenommen wurden, eine in sich konsequente Momentaufnahme. Vielleicht denkt man hier an Boy Harsher oder dort an Frische Farbe, aber anders als in der dank Wandtattoos von Wellnessoasen berühmt gewordenen Kurzformel nach Heraklit fließt hier eben nicht alles, sondern ein »Goldener Strom«. Und der hat sehr großen Wiedererkennungswert – auch und vor allem außerhalb von Wellnessoasen.

Goldener Strom