Stroom ist eines der fesselndsten Labels derzeit. Warum ist das so? Ich glaube, es liegt einfach daran, dass sie unmögliche Schallplatten machen. Unmöglich in dem Sinne, dass sie keiner gebräuchlichen Marktlogik folgen. Nehmen wir das neueste Release. Darauf sind vier Stücke. Zwei von Ron Boots, jeweils eins von Jo Bogaert und Morten Søndergaard. Der erste ist ein Niederländer, der zweite ein Belgier, der dritte ein Däne. Das Release hat keinen Titel. Wir nennen es einfach nach den Tracks »Lachrymation / Ambient Kinsky / Sahara I Mine Hænder / Far Boundaries«. Aufgrund eines fehlendes Konzepts versteht sich dieser Release auch nicht als Compilation. Die Stücke folgen keinem spezifischen Zeitgeist, stehen nicht stellvertretend für eine Epoche oder Szene. Nun, sie sind alle zwischen 1993 und 1996 entstanden, aber damit hat es sich auch schon mit der Gemeinsamkeit. Ansonsten sind sie einfach da. Wir denken sie erst zusammen, in dem wir sie auf dieser Schallplatte als ein Produkt kuratiert bekommen. Und das ist die große Leistung! Stroom selbst bezeichnet die Musik als »›lineare‹, nach innen gerichtete Tanzmusik«, wobei sie »linear« selbst schon in Anführungszeichen setzen und auch »Tanzmusik« hätte dieses signum citationis verdient. Eigentlich handelt es sich hier um Ambient. Wer will, kann einen cineastischen Anstrich erkennen. Nicht nur, weil »Ambient Kinsky« von Jo Bogaert New-Beat-Apologeten auch als Thomas de Quincey bekannt, mit Aufnahmen von Klaus Kinski spielt. (Witzig auch, dass Kinski hier falsch geschrieben ist.) Auch »Sahara I Mine Hænder« von Morten Søndergaard spielt mit filmischen Vokalfetzen. Die beiden zwölf und neun Minuten langen Stücke von Ron Boots tragen filmische Erzählen in der Komposition selbst. Insgesamt eine Schallplatte, die einfach nur die Neugierde entfacht.
Anton Friisgaard
Teratai Åkande
STROOM 〰