Zu Beginn war ich skeptisch. Der Franzose Robert Cahen ist als Ikone der Videokunst bekannt. Dass Recollection GRM nun Tonaufnahmen aus den frühen 1970er-Jahren veröffentlich, lässt primär auf ein archivarisches Interesse schließen. Was könnte »La neuf de fous« anders sein als ein Sammlerstück, das neben Cahens Installationen verblasst? Zwei Gründe legen etwas anderes nahe. Zunächst ist Musik in Cahens Oeuvre keine Randnotiz. Er hat beim Großmeister der musique concrète, Pierre Schaeffer, studiert. Seine Videokunst setzt sich wiederholt mit Musik und ihren Voraussetzungen auseinander. Zweitens lotet »La neuf de fous« das Potenzial von Kunst aus. Bei seinem Titel, zu Deutsch »Das Narrenschiff«, handelt es sich um die anti-demokratische Metapher des Abendlandes. Sie stammt von Platon: Eine Gesellschaft sei wie ein Schiff. Ein Schiff braucht einen Steuermann. Wie wird man Steuermann? Indem man sich Wissen über Navigation aneignet. Nur Narren glauben, eine Wahl legitimiere zu Führungspositionen. Ähnlich aristokratisch ist auch Cahens Musik. »La neuf de fous« schert sich nicht um Popularität. Es ist musique concrète par excellence, selbstbewusst, unnachgiebig und verbissen. Das Mastering von Guiseppe Ielasi verleiht ihm die Gravitas eines Ahab. So entwirft Cahen das Bild einer Avantgarde, die einen Kurs vorgibt, indem sie Hörgewohnheiten über die Planke schickt. Sympathisch ist dieser Elitismus nicht. Aber es ist schwer, sich nicht von Cahens Strenge einnehmen zu lassen.
La Nef Des Fous