Review

Richard Dawson

End Of The Middle

Domino • 2025

Der englische Folk-Dekonstruktivist und überaus fleißige Songwriter mit dem mutigen Falsett nennt sein neues Album »End Of The Middle« und benennt damit zugleich ein prägendes Gefühl der Gegenwart: Denn das »Ende der Mitte« lässt sich sowohl auf die vorherrschende Diskussionskultur v.a. in der Politik beziehen, in der es nur noch Schwarz-Weiß-Denken und keinen Platz mehr für Zwischentöne zu geben scheint, als auch auf das Verschwinden der Mittelschicht. Man könnte den Titel auch auf die zunehmende Absurdität klimatischer Mittelwerte angesichts immer extremerer Wetterlagen beziehen und sogar als Kommentar zu Richard Dawsons Karriere und Leben als mehr-als-mittelalterlicher Mensch verstehen.

Obwohl die Texte also ernst, schwer, düster und manchmal schmerzhaft intim sind, überrascht Richard Dawson hier mit einem reduzierten, luftigen und eleganten Folk-Pop-Sound, der nur gelegentlich in längeren Stücken wie »Knot« oder »The Question« ins Experimentelle kippt. Meist ist die Atmosphäre heimelig und idyllisch, ländlich und familiär – doch im Hintergrund und Unterbewusstsein brodelt es, schwelt Bedrohung, werden unheilvolle Muster an die nächste Generation weitergegeben. Mit zurückhaltenden musikalischen Mitteln beschreibt Richard Dawson sehr genau, wie es sich anfühlt, wenn das eigene oder das gesellschaftliche Zentrum langsam aber sicher immer mehr Risse bekommt und schließlich zusammenbricht.