Haben wir die Coolness zu lange geduldet? Ich höre »Hit The Breaks«, das erste Release von Physical Therapy für das fein kuratierte Label Liberation Technologies und fühle mich schuldig. Warum? Weil ich Releases wie dieses vor kurzem hoch in den Himmel gelobt hätte. Heute nicht mehr. – Physical Therapy startet mit einem Breakbeat anno 1988, treibend und gleichzeitig lässig gestrickt. Er lässt darüber ein obertonreiches Dröhnen zirkulieren und ergänzt später noch mit Nachdruck einen Synthesizer-Loop. Doch die hier erzeugte Euphorie läuft ins Leere. Sie verliert sich in einem Gestus, der die Anästhetik feiert – mit betont abgeschrabbelten Beats, Casio-Sounds, die mir schon 1992, als Teenager, einen unangenehmen Schauer den Rücken haben herunterlaufen lassen. Man höre nur die Hi-Hat, die am Ende dieser viereinhalb Minuten aus dem Hartplastegehäuse drängt (!). Vielleicht ist das einfach auch nur ein doofer Witz (?). Nur bliebe dieser hier halt unmarkiert. Der Witz verliert sich, wie weite Teile dieser EP, im Gestus des Coolen. Doch Cool ist verbraucht. Cool ist leer. Cool ist ex post facto. Das schrieb der amerikanische Autor Rick Moody bereits 1999. Und das gilt noch immer. Oder es gilt nun wieder. Wir brauchen mehr Haltung, mehr klare Bezüge, mehr Empfindung – auch in der aktuellen Musik. Gut möglich, dass ich hier im Sog meiner inneren Aufgewühltheit gerade den nächsten ganz großen Sh** verkenne. Dann ist es so. Cool war gestern. Auf Posen der Unangreifbarkeit, Unmarkiertheit, Untentschiedenheit kann ich momentan verzichten. Was ich jetzt brauche, ist rückhaltlose Leidenschaft, brennendes Feuer.
Helena Hauff
Discreet Desires
Werkdiscs