Review Hip-Hop

Philip Jeck

Cardinal

Touch • 2015

Philip Jeck macht mit einer Menge Schrott ziemlich unheimliche Musik. Sein Hauptinstrument sind ausrangierte Plattenspieler, die er zusammensammelt. Mit bis zu 80 Turntables macht er neue Musik aus alter. Seine Musik ist also schon von Anfang mehr als nur das, sie ist gleichzeitig Installationskunst. Manchmal aber reduziert sich der auch als Choreograph tätige Brite jedoch auf ein weniger opulentes Set-Up und die eine Kunst: Musik. Obwohl die nicht so klingt. »Cardinal« wurde natürlich auch mit Plattenspielern aufgenommen, welche Platten Jeck aber damit abspielte, verrät er nicht. Herauszuhören ist das aus dem bedrohlichen Grummeln und den kratzigen Drones seines – je nach Zählweise – zehnten Studioalbums sowieso nicht, ebenso wenig also wie die von ihm zusätzlich verwendeten Instrumente: Casio-Keyboards oder ein Ibanez-Bass sind kaum auszumachen. Denn wie auch sein ehemaligen Kollaborateur Markus Popp alias Oval entsteht Jecks musikalische Handschrift nicht in der Musik an sich, sondern in der Bricolage von Sounds. Effektgeräte, ein zusätzlicher Minidisc-Player und letztlich ein Laptop wurden bei der Produktion von »Cardinal« ebenfalls eingesetzt. Mit denen verfremdet Jeck sein Ausgangsmaterial und setzt es dann auf eine Art zusammen, die als fertiges Produkt keine Rückschlüsse mehr auf ihre Ursprünge zulässt. »Cardinal« klingt, als hätte jemand die amorphe Silhouette einer kompletten Schrotthalde in Klang verwandelt: Es gleißt metallisch, dröhnt unbekümmert und macht den Eindruck der Menschenleere. Damit treibt Jeck das Programm von geistesverwandten Konzeptlern wie Leyland James Kirby alias The Caretaker noch weiter voran. Wo bei Kirby nämlich die geisterhafte Atmosphäre aus verschwommenen Erinnerungen an diese oder jene Melodie evoziert wird, radiert »Cardinal« alle Affekte aus. Zurück bleibt nur ein Krach, der keinen Urheber zu haben scheint. Wie viel anders und weniger beeindruckend die als Download beigegebene, 40minütige Live-Aufnahme aus dem französischen Caen doch klingt, die noch weitgehend musikalische Motive zulässt. Am großartigsten ist Jecks Musik allerdings, wenn sie nicht nach Musik klingt. Was gibt es schon Unheimlicheres als das?

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