Genau hinhören ist eins, Deep Listening das andere. Pauline Oliveros war die stillste Radikale des 20. Jahrhunderts. In ihren feministischen Schriften setzte sie sich zwar lautstark gegen das institutionalisierte Mackertum in der akademischen Musikwelt der 1960er und 1970er Jahre durch, ihr eigenes Schaffen als Komponistin aber war von unvergleichlich subversiver Subtilität geprägt. Obwohl das im Jahr 1932 geborene Multitalent seit Beginn ihrer Karriere mit neuester Technologie – Tapes, Buchla-Synthesizer, später Max/MSP – arbeitete, blieb ihr Lieblingsinstrument ein altes, traditionelles: das Akkordeon. Und wo das Prinzip von Deep Listening zuerst solipsistisch und irgendwie evident scheint, verbarg sich dahinter ebenfalls ein sozialer, um nicht zu sagen sozialpolitischer Ansatz. Auf das Wortspiel kam sie im Jahr 1988 bei Aufnahmen in einer Zisterne mit Stuart Dempster und Panaiotis alias Peter Ward. Das wenige Monate später veröffentlichte gleichnamige Album, das tief drunten entstanden war, legte den Grundstein für die Deep Listening Band, einer Improvisationsgruppe, der nach Wards Ausstieg auch David Gamper angehörte. Das Prinzip war simpel: In langen Jam-Sessions erkundeten die Musiker*innen die Wechselwirkungen zwischeneinander ebenso wie zwischen ihrer Umwelt, ihnen selbst und den Klängen, die sie von sich gaben. Ein irrlichterndes Feedback-System entstand, das sich auf »Deep Listening« und dem 1991 veröffentlichten DLB-Album »The Ready Made Boomerang« in dichten, schleppenden Dronescapes entrollt. Der Raum, der für die Aufnahmen so maßgeblich war, er erscheint vor dem inneren Ohr aufs Neue – wenn denn nur richtig, das heißt tief genug hingehört wird. Die Regungen und Bewegungen dieser Musik sind zart und wohlig oder mächtig und bedrohlich, berauschend und pathetisch oder entrückt und unterkühlt – je nach Hörperspektive. »Deep Listening«, dessen Neuauflage auf dem Label Important Records noch einige Aufnahme von »The Ready Made Boomerang« sowie ein Text von Leisetreter John Cage beigefügt wurde, ist von stiller Radikalität. Es stellt essentielle Fragen zur menschlichen Subjektivität ebenso wie zu unserem Platz in dieser Welt und den Bindungen, die zwischen uns bestehen. Nur eben sehr leise, wie ein kaum hörbares Flüstern. Vor allem jedoch ist es ein überwältigend schönes Album, das tiefe Melancholie und entgrenzte Meditativität zugleich ausstrahlt.
Deep Listening