Wir haben 1976. Wir stehen in Istanbul und wollen in Beyoğlu in einen Laden, der Musikinstrumente wie Saz oder Darbuka anbietet. Dazu gibt es Poster der größten Stars der Szene. Und eine gute Auswahl an Vinyl. Wir fragen nach und der Verkäufer schaut uns an, als wir nach der Platte des türkischen Percussionisten Okay Temiz fragen. »Die ist aus«, erklärt er uns. Wie viele Exemplare von »Witchdoctor’s Sun« es je in die Regale geschafft haben, wird wahrscheinlich für immer ein Mysterium bleiben. Okay Temiz war sicherlich keiner der am meisten verfolgten Musiker der Militärdiktatur des türkischen Staats in den 1970er Jahren, doch wussten die Militärs ihre Macht auszuspielen. Und »wahlverheimatete« Künstler durften gerne mit Konfiszierungen rechnen. Temiz, der zu dem Zeitpunkt in Schweden wohnte, teilt damit ein Schicksal mit Künstlern wie Erkin Koray oder Derdiyoklar, die die Willkür umgingen, in dem sie in Köln und Berlin ihre Platten veröffentlichten. Ein Glück, dass sich in den letzten Jahren viele Labels aufmachten diese Schätze der türkischen Musikgeschichte zu bergen und wieder zu verwerten. In diesem Falle mit Matsuli Music sogleich ein Label, das sich auf süd-afrikanische Reissues spezialisiert hat. Denn »Witchdoctor’s Sun« ist so türkisch wie südafrikanisch, amerikanisch und global. Während Temiz an den Drums sitzt oder sich den verschiedenen Percussioninstrumenten zuwendet, von Zurna bis Cuica, begeistert Johnny Dyani mit seinem Bassspiel, mit seinem Gesang, mit der energetischen Aufladung aller zehn Stücke. Hier trifft »orientale« (mit zehn airquotes) Mikrotonalität auf den MC-haften Chant-Gesang, der auch leicht mit dem proto-punkigen Preaching von Gary Burger (The Monks) verwechselt werden darf. Dieses Jazz-Psych-Afro-Beat-Feuerwerk ist ein sogenanntes Essential und wartet darauf, dass alle (hier kennen wir die Zahl) 1.000 Kopien der Neuauflage schnellstmöglich an die Frau oder den Mann kommt. Lange Zögern bringt wohl wenig: Believe the Hype.
Witchdoctor's Son