In den 1970er-Jahren wurde der türkische Perkussionist und Don-Cherry-Schlagzeuger Okay Temiz gefragt: Was ist anatolischer Jazz? Seine Antwort war angeblich »Drummer of the Two Worlds«. Also jene Antwort, die Musiker:innen ins Gefängnis bringen kann. Das Album wäre unverdächtig, würde man nur eine strukturelle Analyse lesen. Vorsichtig mischt es Jazz mit anatolischen Melodien und Rhythmen. Sein Rezept: Man nehme drei schwedische Musiker und tauche sie in vertraute Piano-Riffs und Bass-Lines. Diese kann man dann mit handgebauten Trommeln und türkische Instrumente würzen und in deftigen 9/8- und 7/8-Takte schmoren lassen. So weit, so schmackhaft. Doch ist der »Drummer of the Two Worlds« wirklich wie Ikeas Fleischbällchen – skandinavisch im Gestus, aber eigentlich türkisch? Temiz Klänge lassen anderes vermuten. »Drummer of the Two Worlds« ist das schrulligste Album, das ich seit langem gehört habe. Mit Abstand. Es ist voller gummiartigem Schnarren, dumpfen Ploppen, schrillen Pfeifen und sägenden Summen. Ich kann nicht sagen, ob quietschige Rhythmus von »Penguin« auf Instrumenten, Kinderspielzeug oder Luftballons aufgenommen wurde. »Drummer of the Two Worlds« klingt beizeiten, als hätte ein Satansbraten Eltern in den Wahnsinn zu treiben zur Kunstform erhoben. Wenn das türkischer Jazz sein soll, ist türkischer Jazz ein Witz. Und zwar ein verdammt guter. Ich werde vermutlich nicht oft zu »Drummer of the Two Worlds« zurückkehren. Aber wenn ich es tue, dann mit fettem Grinser.
Drummer of the Two Worlds