Review Klassik

Nils Frahm

Music For Animals

Leiter • 2022

Schmeiß das Klavier raus – jetzt gibt es Soundlandschaften: Nils Frahm, 40-jähriger Pianist aus Berlin und Ansprechpartner für alles im Grenzgebiet zwischen Klassik, Ambient und elektronischer Musik, verzichtet aus seinem neuen Album »Music For Animals« auf das wohl markanteste Instrumente in seinem Sound. Was übrigbleibt, sind jene weitrechenden Klänge und Texturen, die sich sonst dahinter versteckten. Kurz: Auf drei Stunden gibt es hier also Ambient, jedoch mit viel elektronischen Versatzstücken. Was bei Frahm herrlich funktioniert, weil der Rhythmus wie in »Right Right Right« starke Momente bietet, um in dieses Album zu finden. Der Sound wird nie komplett diffus und auch wenn der Pressetext die Brücke zu Erik Satie schlägt: Klangräume sind es, aber es ist kein Möbelstücksound, keine Hintergrundmusik.  Vielmehr dreht sich im Innersten dieses Sounds ein ureigener Sog. »World Of Squares« mutet wie der Einsturz einer gigantischen Kathedrale in Zeitlupe an, während ein paar langsame Streicher dies untermalen. »Do Dream« macht aus Kammermusik hingegen fast ein Drone-Stück und in »Stepping Stone« hat Frahm einfach unfassbare Schönheit in knapp zwanzig Minuten Klang gebannt. Die Länge der Platte, ihre Atmosphäre sind geprägt von Frahms Zeit im Studio in Ost-Berlin während der Pandemie, seine Musik zieht sich noch mehr zurück als auf allen Alben davor. In den letzten Jahren erlebte Ambient als Genre eine Hochphase, viele Alben erschienen, viele Alben gerieten bereits wieder in Vergessenheit. Doch Frahms »Music For Animals« ist ein Meisterwerk des Genres. Weil hier jeder Ton, jeder Sound wie ein perfekt ausbalanciertes Pendel über den Dingen schwebt. Es sind endlose Soundlandschaften, in denen sich die eigenen Wege nur zu gerne verlieren. Der beste Rückzugsort in diesen wahnwitzigen Zeiten.