Review

Nils Frahm

All Melody

Erased Tapes • 2017

Das Studio unter seinem Bett gibt es nicht mehr. Die Alternative war zu verlockend: Nils Frahm durfte sich ein eigenes Studio im historischen Saal 3 des Funkhaus Berlin einrichten. Ein Jahr lang nahm sich der Pianist für seine neue, ca.14. Soloplatte Zeit. Zwischendurch gab es noch Field Recordings in mallorquinischen Brunnen. Nun braucht auch der Hörer Geduld für das resultierende Album: 74 Minuten lang ist »All Melody« geworden. Und fast jeder Song beginnt mit einigen Sekunden Stille. Bis sich in »Sunson« so etwas wie ein Beat herausschält, vergehen zweieinhalb Minuten. Ist dies nun also Nils Frahm, der Clubmix? Natürlich unterläuft der ernsthafte Berliner, der sich bei seinem Label Erased Tapes stets alle Freiheiten nehmen kann, die Erwartungen, und serviert nicht bloß leicht verdauliche Neoklassik-Kost. »All Melody« ist so etwas wie ein Kompromiss aus der reduzierten Lieblichkeit der älteren Soloalben und der trippigen Elektronik seines Trios Nonkeen Nils Frahm hat alle Instrumente selbst eingespielt, also wohl auch die verwehte Trompete auf »Human Range«, die Assoziationen an unterkühlten nordischen Jazz á la Nils Petter Molvaer aufkommen lässt. Ansonsten: ätherische Keyboards galore, dazu ein selbstgebautes Harmonium und auf vier jeweils neunminütigen Stücken sacht technoide Synthie-Beats. Hübsch anzuhören, aber: die Stimmen, die Nils Frahm stete Harmlosigkeit unterstellen, wird er auch mit diesem Album nicht abschütteln können.