Der »ECM-Sound« polarisiert. Bei dem Wort leuchten manchen die Augen, andere hingegen rollen diese bei bloßer Erwähnung. Und dann noch klassische Streicher? Der brasilianische Perkussionist Naná Vasconcelos erscheint mit seinem durchaus »erdigen« Spiel eigentlich ein unwahrscheinlicher Kandidat für eine Kombination seiner Berimbau- und übrigen Instrumentalklänge mit einem deutschen Symphonieorchester. Manfred Eicher von ECM ermöglichte genau das. Wie beim Solodebüt des Bassisten Eberhard Weber, »The Colours of Chloë« von 1974, brachte Eicher fünf Jahre später Vasconcelos auf »Saudades« mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart zusammen (bei Weber nannte man sich noch Südfunk Sinfonieorchester). Beide Male mit Erfolg, mit im Detail sehr unterschiedlichen Mitteln. Was nicht allein an Vasconcelós‘ konzentriert rhythmischem Spiel liegt, sondern ebenso an der Weise, wie das Orchester bei ihm zum Einsatz kommt. Neben flächig harmonischen Passagen gibt es dissonant zackig Bewegtes, arrangiert von Egberto Gismonti, was bei aller Kunstfertigkeit nie aufgesetzt künstlich wirkt. In einigen Stücken wie »Vozes (Saudades)«, in dem Vasconcelos seine Stimme zu einem Call-and-Response-Loop collagiert, meldet sich das Orchester lediglich sehr dezent am Schluss. »Cego Aderaldo« verzichtet sogar komplett auf die Symphoniker zugunsten von Gismontis Gitarre. Überrascht nach 44 Jahren unverändert, nach 43 Jahren hierzulande zum ersten Mal wieder auf hochwertigem Vinyl vorrätig. Der Platte durchaus angemessen.

Saudades ECM Luminessence Series