In meiner Grundschulzeit habe ich eine Zeit lang einen großen Ehrgeiz darin entwickelt, einen Tischtennisball mit dazugehörigem Schläger hochzuhalten. Darin wollte ich es zur Meisterschaft bringen und ich war stets bemüht meine selbst aufgestellten Rekorde zu verbessern. Es gab in diesem Spiel – soweit ist meine Erinnerung daran noch erhalten – einen Moment, losgelöst von Raum und Zeit, in der ohne Nachdenken der stete Rhythmus von Ball trifft auf Tischtenniskelle in einen Automatismus überging. Es war ein natürlicher Flow, sehr simpel, beinahe selbstverständlich, von Euphorie getragen. (Ist das nicht auch ein schönes Bild für House Music per se?) Sobald ich mir aber dieser Einfachheit bewusst wurde, das Nachdenken über das eigene Tun anfing, änderte sich augenblicklich der Rhythmus. Das Spiel zwischen Schläger und Ball wurde unrund und es brauchte einen kurzen Moment der Besinnung zurück zum Mantra des gedankenlosen Ball-in-der-Luft-Haltens, bis der Rhythmus wiedergefunden war. Einen solchen Moment gibt es auch in »Nobody Knows« von myr., ein Track der im September 2014 quasi aus dem Nichts auftauchte und nun zusammen mit zwei weiteren Stücken bei PNN Records als 12″ erschienen ist. Auch hier gerät das achteinhalbminütige Zusammenspiel zwischen Loop (Ball) und Beat (Schläger) für einen Moment in eine kurze Disharmonie, fängt sich aber schnell wieder. Es ist als würden sich Loop und Beat selbst korrigieren, ohne Zutun von außen, einfach so. Dazu passt, dass über den Produzenten myr. nichts bekannt ist. »Avalon« und »Homii« auf der B-Seite sind übrigens genauso gut, komplett anders (hier mehr ambiente Flächen, dort mehr Vocalsamples; hier mehr Bumms und Shaker, dort halt so gar nicht), handwerklich beinahe noch besser gearbeitet (besonders an den Nahtstellen) und insgesamt also ein wahnsinnig gutes Debüt. Fast so gut wie meine Tischtenniskünste als Grundschüler.
Nobody Knows Avalon