Beim Moiré-Effekt handelt es sich um das visuelle Phänomen, welches entsteht, wenn ein grobes Raster über ein feines geschoben wird und neue Formen sichtbar werden. Auch in der elektronischen Musik ist es seit geraumer Zeit en vogue, die Dinge übereinander zu schieben. Viele Produktionen der letzten Jahre versuchten ihre Soundästhetik nicht mit sattem Tape-Rauschen, Vinylknistern oder analogen Aufnahmeverfahren eine raue Dichte zu verpassen. Die Szene-Nerds reden mittlerweile von Outside House, die Poptheorie spricht in Anlehnung an den franko-algerischen Philosophen Jacques Derrida von hauntology. Der bisher klarnamenlose Produzent, der seit letztem Jahr auf Labels wie Rush Hour oder Ninja Tune unter dem Alias Moiré einige wenige EPs veröffentlicht hat, fing mit seiner Namenswahl ein Stück Zeitgeist ab und lieferte dann noch den richtigen Soundtrack dazu. Moirés Musik ist vernebelt, narkotisch, dumpf. So macht sich Moirés Highspeed-Hauntology auch bestens auf Actress‘ Werkdisc-Label, das seit jeher den schmutzigen Sounds zugeneigt ist. Unter den schlierigen Klängen aber brodeln wahre Killer-Tracks, die ungeahnt fröhlich zwischen House und Techno, Electro und Balearen-Anleihen hin und her hüpfen. Mit »Shelter« ist Moiré ein starkes Debütalbum gelungen, das nicht nur zeitgeistige Bedürfnisse nach geisterhafter Ästhetik befriedigt, sondern auch satte Tunes für den Dancefloor-Gebrauch zu bieten hat, auf dem mittlerweile gern in halbtransparenten Kleidern getanzt wird. Moiré-Effekte im Stroboskoplicht sind also vorprogrammiert.
Shelter