Man muss schon sehr aufpassen bei den Alben von Misha Panfilov, um die assoziativen Schlenker in seiner Musik nicht zu verpassen. Zum Beispiel in »Vertical«, dem ersten Track auf »Atlântico«, dem neuen Album des Komponisten und Multiinstrumentalisten aus Estland. Der Track beginnt luftig wie eine freie Jazz-Improvisation, bevor dann die Bläser mit einem Jazz-Funk-Groove die Führung übernehmen und eine Spacemen-3-Gedächtnispassage zu einer psychedelischen Jam-Session überleitet, die sich letztlich in Gitarren-Feedback und Noise verliert. Und das war erst der erste Track auf dem Album eines Musikers, der nicht nur scheinbare stilistische Grenzen ignoriert, sondern daraus etwas Neues und Erstaunliches entstehen lässt. Es gibt Space-Age-Exotica wie bei Esquivel, inklusive wortloser Ba-Ba-Ba-Gesang und balearischem Vibe und einen Track, der hart an der Grenze von Ambient und New Age operiert. Dass dieses Album nicht einfach implodiert angesichts der gebotenen musikalischen Unmöglichkeiten ist das Verdienst von Misha Panfilov. Er nimmt die Grauzone, oder besser: Buntzone, zwischen Spiritual Jazz und Easy Listening als Basis seiner Kompositionen, von wo aus er in alle Richtungen aufbricht.
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Atlantico