Review Electronic

Miradasvacas

Of No Fixed Abode

12th Isle • 2023

1965 wurde der tschechische Fluxus-Künstler Milan Knížák zum Albtraum aller Archivare. Er hatte eine Idee: Zerschlagenes, verbogenes oder verbranntes Vinyl müsste doch interessant klingen. Also begann Knízak für Performances Platten zu zerstören. Seither geistert das Konzept »Broken Music« durch die Annalen der Sound Art, über deutsche Geschichte bis zu Sonic Youth. Das spanische Duo Miradasvacas ist also in bester Gesellschaft, wenn es mit »Of No Fixed Abode« an diese Tradition anknüpft. Statt kostbares PVC zu vergeuden, setzten sie auf »reel-to-reel«-Tape-Manipulation, Turntable-Kratzen und umgebaute Radios. Dazu noch eine Violine und »sound diaries« von Festivals in Südamerika? Sí, por favor! All das schreit »Gimmicks«, schnieker Schabernack, der in einer Oratio besser klingt als auf einer Aufnahme. Doch »Of No Fixed Abode« überrascht mit bodenständiger Zärtlichkeit. Wie ihr offensichtliches Referenzwerk, William Basinskis »The Disintegration Loops«, ist Miradasvacas in seiner Faszination am Verfall lebensbejahend. Ihre Arrangements sind tiefer in bekannten Harmonien verankert, dafür etwas weniger einprägsam. »Of No Fixed Abode« ist erstaunlich unprätentiös. Die Promo beschreibt das Album als »die beste Seite entlegener Galerie-Tonkunst«. Das ist nicht falsch. Denn »Of No Fixed Abode« ist keineswegs nur zwischen Sektgläsern und Selbstinszenierungen zu Hause. Es kann jedes Wohnzimmer in eine stille Vernissage verwandeln.