Gemeinsame Aufnahmen von Mika Vainio, Ryoji Ikeda und Alva Noto: das ist für Freunde der elektronischen Musik in etwa das, was für Horrorfilm-Connaisseurs ein gemeinschaftlich entstandenes Werk von David Cronenberg, John Carpenter und George A. Romero wäre. Ein Highlight des Genres. Nichts, was in die Analen der Geschichte eingehen wird, aber doch etwas, mit dem du dich beschäftigt haben solltest. Carsten Nikolai (Alva Noto) hat diese am 23.9.2002 live am BALTIC Centre for Contemporary Art in Newcastle entstandene Aufnahme nun für sein Plattenlabel Noton ausgegraben. Sie ist das einzige Dokument, das die drei Legenden zusammen zeigt. Es ist insofern historisch und nicht wiederholbar, weil Mika Vainio im letzten Jahr tödlich verunglückte. Nun, die Frage bei so einer musikalischen Begegnung ist zuerst, wie fügen sich drei so ausdrucksstarke Formalisten zusammen? Gehofft habe ich auf die Antwort: gar nicht. Das Ergebnis sagt aber: überraschend gut. Dass »Live 2002« so aus einem Guss klingt, liegt (hier sind Mutmaßungen vonnöten) darin, dass jeder der drei Musiker mal das Zepter in die Hand nehmen durfte. »Movements 1« klingt nach Mika Vainio, »Movements 2« nach Ryoji Ikeda, »Movements 3« nach Alva Noto. Aber nicht wie ein Staffellauf, fortlaufend und wohlgeordnet, sondern mehr wie ein improvisierter Jam, wo auf ein Signal (Augenzwinkern, Ohrläppchen ziehen, Tritt gegen das Schienbein) ein anderer übernimmt und die zwei verbliebenen dessen Sounds mit ihren Sounds nur zart umspielen. Und zwar so groovy wie ein schmiedeeisernes Bettgestell ohne Matratze. Manchmal braucht’s eine sich ins Fleisch bohrende Metallfeder, um den Körper in den Schwung zu bekommen. Dürfte also auch etwas für Liebhaber des Horrorfilms sein.
Live 2002