Review Hip-Hop

Michael Diamond & Adam Horovitz

Beastie Boys Buch

Heyne • 2018

Die Beastie Boys waren immer vieles auf einmal, nie aber dasselbe. Die Stationen ihrer Karriere waren fest an die Orte geknüpft, von denen aus sie ungeahnte Richtungen einschlugen – und die rückblickend betrachtet eine Erfolgsgeschichte erzählen, die sich wie ein modernes Großstadtmärchen, wie der American Dream, wie ein großer Zufall und irgendwie beiläufig inszeniert. Und wie ein Entwicklungsroman mit »Wayne’s World«-Humor.

Dass die verbliebenen beiden Beastie Boys Adam Horowitz und Michael Diamond aka AdRock und Mike D ihre Biographie selbst verfassen, anstatt irgendeinen dritten damit zu beauftragen, ist dabei gar nicht anders denkbar. Dass sie immer wieder andere Menschen an ihrer Geschichte, die nun eben als Bandgeschichte in Buchform vorliegt, mitschreiben ließen, ist ebenso konsequent angesichts einer Laufbahn, die ständig von Weggefährten gesäumt war, die sie mitgestalteten.

Kate Schellenbach, Spike Jonez, Mixmaster Mike und viele mehr, sie alle steuern dem »Beastie Boys Buch« Kapitel bei – so, wie sie eben selbst unverzichtbar waren in den Dienstjahren einer Band, die es geschafft hat, über Dekaden hinweg relevant zu bleiben und unpeinlich zu altern. Dass Adam Yauch aka MCA vor sechs Jahren starb, ist daher auch deswegen sehr traurig, weil mit ihm die erste große Chance gestorben ist, eine Rap-Band zu erleben, die zwar längst ergraut ist, von denen das Publikum aber noch mehr erwarten konnte als anachronistische Nummernrevues und nostalgische Back in the Days-Momente. Und das, obwohl ihr Rap sich ernstzunehmenden Entwicklungen entsagte. Die zeigten die Beastie Boys an anderen Stellen. Und konnten daher auch 2011, nach dreißigjähriger Bandgeschichte, ein Album mit »Here we go again« eröffnen, ohne dass man es ihnen krumm nahm.

Das »Beastie Boys Buch« ist ein erhellendes, sorgsam kompiliertes Mixtape voller Skits, erwarteter Hits und überraschender Wendungen. Und die Boombox, aus der es erschallt, ist ein über 500 Seiten starker Hardcover-Band. Es ist wie eines dieser Freundschaftsbücher, die man früher von seinen Mitschülern ausfüllen ließ, ein nach außen geöffnetes, vielgestaltiges Anekdotenkaleidoskop, nachgezeichnet von den übrig gebliebenen zwei Dritteln der Band – und zwangsläufig auch ein Requiem für einen verstorbenen Freund.

Zu großen Teilen ist das »Beastie Boys Buch« auch eine Ode an das New York der Achtziger, das ihre Karriere nicht nur befeuerte, sondern erst ermöglichte. Die Subkulturen blühten, und eben noch kleine Szenen brachten erste Mogule hervor. Die Beastie Boys waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort und brachten neben Glück und Enthusiasmus auch genügend große Klappen mit. Und für Rap war Mitte der Achtziger eben New York der richtige Ort. Auch und vor allem, wenn er von drei jungen weißen jüdischen Teenagern kam, die eben noch im Hardcore Punk zu Hause waren.

Mike D präsentiert seine Rückblicke pointierter und unaufgeregter, während AdRock schwärmt und schwelgt, abschweift und schwafelt. Sie spielen Ping Pong mit den Kapiteln, jonglieren mit den Bruchstücken ihrer Erinnerungen und erschaffen dabei eine Chronologie aus Momentaufnahmen, die 40 Jahre Beastie Boys nahbar verdichten. Und deren große Momente gerade aus dem Kleinen, vermeintlich Nebensächlichen entstehen, weil es erklärte Ikonen der Coolness enttarnt – als coole Jungs.