Sterblichkeit ist ein zentrales Thema der Musik, spätestens seit die antiken Tragiker erstmals einen Chor auftreten ließen. Die Endlichkeit drängt nach Ausdruck. Melos Kalpa klingt wie ein stilles Trauerwerk: verhalten, feierlich, in sich zerrissen. Vielleicht war das nicht beabsichtigt. Das Ensemble wurde »2019 um die Version von Tom Relleen herum geformt«. Noch im selben Jahr nahm das Quintett sein Debütalbum auf, das nun auf Hands In The Dark erscheint, dem Label für post-minimalistische Schönheit. »Melos Kalpa« besteht aus fünf reduzierten Kompositionen, die als Soundtrack jeder Sophokles-Adaption zur Ehre gereichen würden. Mit modernistischen Mitteln erzeugt das Ensemble ein mythologisches Feeling.
Es ist ein melancholisches Fest der Klänge: Reel-to-Reel-Tapes treffen auf Streicher, Stabspiele, Gitarren und eine Buchla. Die Stücke wirken wie Post-Rock ohne das Bedürfnis, sich zu entladen. Sie ruhen in sich. Wer für subtile Genüsse offen ist, kann in »Melos Kalpa« einen kleinen Schatz finden. Vor allem die zweite Hälfte des Albums, das 22-minütige »Melos Rhythm«, gehört zum Schönsten, was ich in diesem Jahr hören durfte. Doch die Aufnahmen haben sich seit 2019 verändert – auch für die Band. Tom Relleen starb 2020. Das Album ist ein bittersüßes Testament und ein schillerndes Dokument der Reise, auf der wir uns befinden. Man möchte Dichter*innen zitieren, weil es einem die Sprache verschlägt. »Ungeheuer ist vieles. Aber nichts / Ungeheuerlicher als der Mensch«.
Melos Kalpa