Review

Maximiliano Ruiz

Nuevo Mundo: Latin American Street Art

Gestalten Verlag • 2011

Über mehrere Jahre explorierte Maximiliano Ruiz die lateinamerikanische Street-Art-Szene akribisch als Autor, Kurator und Filmemacher. Mit dem Resultat seiner Expedition, Nuevo Mundo (die neue Welt), ist ihm nicht nur ein sehr guter Reiseführer gelungen, der die urbane Kunst dieses Kontinents ausleuchtet, sondern auch eine repräsentative Dokumentation der gegenwärtigen hiesigen Szene. Schön gestaltet und kompiliert, präsentiert er die Pracht sämtlicher Betonvorgärten von Brasilien bis Venezuela. Dazu hielt Ruiz alle vertretenen Künstler an, für den Sammelbeitrag nicht nur ihre Werke, sondern auch sich selbst sprechen zu lassen. So darf jeder von ihnen, die ihm gewidmete Doppelseite, mit einem kleinen Statement vollenden. Obendrein ließ er sie selbst über den Inhalt ihres Features bestimmen. Dadurch gelingt ihm ein Bild von den Verzierungen auf Lateinamerikas Straßen, auf das sich sowohl Autor als auch Künstler einigen können. Jeweiligen nationalen Ikonen (von Os Gêmeos bis Saner) kommt zusätzlich die Ehre zuteil, sich dem Vorwort ihres persönlichen Vaterlandes anzunehmen. Konsequentes und schönes Konzept, dessen Fokussierung vielmehr in der Repräsentation ihrer Akteure liegt, nicht etwa in einem speziellen oder aktuell populären Street Art Stil. Über die 250 schön aufgemachten und informativen Seiten erstreckt sich so die gesamte Bandbreite an künstlerischen Stil- und ästhetischen Hilfsmitteln, von Schablonen, Pinsel, Bürsten, Walzen über Sprühdosen, farbbefüllte Feuerlöscher, Marker, Sticker, Kollagen bis hinzu Pappmache-Gebilden. Alles was die freie Wahl der Waffen im urbanen Nahkampf zulässt. »Nuevo Mundo« tauften im 15. Jahrhundert spanische Kolonisten den für sich frisch entdeckten Kontinent. Das lateinamerikanische Festland vereint seit jeher nicht nur ein gemeinsames kulturelles und sprachliches Erbe, es ist auch geprägt von militaristischen Diktaturen, sozialen Marginalisierungen und wirtschaftlichen Unsicherheiten. Umstände, die für Protestbewegungen und Rebellionen den idealen Nährboden einer künstlerischen Auseinandersetzung als Ventil schaffen. Schon immer war Street Art eine wichtige Waffe im sozialen Gemenge von Lateinamerika, wie Graffiti seine ursächliche Motivation in den 1970er Jahren in den USA erfuhr – die Möglichkeit eine schnelle, kostengünstige, vor allem aber eine gehörte/gesehene, Aufmerksamkeit erlangende Form des Protestes zu generieren. Die urbane Umwelt als Kulisse, die Wände als Medium der Nachricht.