2011 diagnostizierte Sebastian Hinz der Modern-Creative-Musikerin Matana Roberts einen »Glücksgriff«. Das erste Album ihrer »Coin Coin«-Reihe sei »ausnahmslos« ob seiner »aufwühlenden, mitreißenden und zugleich nachdenklichen Kraft«. 12 Jahre später muss man eine kleine Korrektur anbringen: Mit Glück hatte Roberts Leistung nichts zu tun. Das »Coin Coin«-Projekt hat einige der besten Alben der letzten Dekade hervorgebracht. Nun erschien das fünfte Kapitel. Entrüstet setzt Roberts ihre feministische Auseinandersetzung mit Schwarzer Geschichte fort. Durch die fiktive Autobiographie ihrer Großmutter erzählt sie von Ehen unter dem Patriachat, emotionalem Missbrauch und tödlichen Abtreibungen. Dies untermalt Roberts mit einer genre-transzendierenden Mischung aus avantgardistischem Free Jazz, Folk, Blues, Musique concrète und Drone. Verstärkt stechen die Einflüsse der Post-Rock-Titanen Godspeed You! Black Emperor hervor, deren Teil Roberts Anfang der 2000er war. Gewieftes Pacing erzeugt emotionale Wucht (wenngleich Kapitel 5 nie ganz den Impact von Kap. 3 und 4 erreicht). Ruhige Passagen werden zu Freak-Outs, Dissonanzen entladen sich in einem Kanon. 2023 ist bereits ein großartiges Jahr für Fans von politisch-literarischem Jazz, etwa dank Asher Gamedze, Rob Mazurek und Irreversible Entanglements. Was Matana Roberts dennoch hervorstechen lässt, ist ihre ungeschönte Prosa. »Coin Coin Chapter Five: The Garden« ist ein meisterhafter Schlag in die Magengrube.
Coin Coin Chapter Five: In The Garden