Review Jazz

Mary Halvorson’s Code Girl

Artlessly Falling

Firehouse 12 • 2020

Eine neue Platte von Mary Halvorson ist an sich schon mal eine gute Nachricht. Unerwarteter Besuch ist in diesem Fall die nächste: Auf drei der acht Nummern ihres neuen Albums »Artlessly Falling« singt der große alte Mann des britischen Prog-Rock und des exzentrischen Popsongs Robert Wyatt. »Smell of grease and mint / Glissando, female laughter« sind seine ersten Worte zu Beginn von »The Lemon Trees«, während die Musiker sich in aller Ruhe auf die kommenden Ereignisse einstimmen. Mary Halvorson steuert auf ihrer Gitarre zwar noch keine Glissandi bei, dafür zart gebrochene Moll-Akkorde, im Hintergrund der wortlose Gesang von Amirtha Kidambi. Mit der anschließenden ins Freie improvisierten Steigerung samt Trompetensolo ist die Magie dann perfekt. Mary Halvorson’s Code Girl, die neue Formation der New Yorker Gitarrenwissenschaftlerin, die im Großen und Ganzen aus der Besetzung ihres gleichnamigen Albums von 2018 hervorgegangen ist, präsentiert sich als entspannt abenteuerlustiges Ensemble, in dem man einander Luft zum Atmen und Zuhören zugesteht. Konventionell anmutende Songformen werden immer mal wieder kurz durchgerüttelt, so wie das zurückgenommene Spiel Halvorsons mit kleinen Irritationen arbeitet, zu denen sogar die von Wyatt benannten Glissandi gehören, die bei ihr gern ruckartig daherkommen, wie ein kurzes Verrutschen der Tonspur. Auch ohne den Gast aus England wäre dies ein lässiger Wurf geworden, jetzt gibt es noch den Überraschungscoup obendrauf. Gelegentliches Losrocken ohne Vorwarnung inbegriffen.