Am unverstellten Romantizismus des orchestralen Ambient, den Marsen Jules seit einer Dekade ausformuliert, können sich ja die Geister scheiden. Seine Musik ist eine, die nur durch ihre Wirkung überzeugen muss, die ihren Belang nicht an einen konzeptuellen Überbau hängen mag wie etwa Mike Inks »Gas«-Serie, klanglicher Vorläufer, dessen einhergehende Strenge aber immer auch zum Zweidimensionalen neigte: der Club als Waldtapete. Von reduktionistischer Strenge geprägt ist nun auch »Marsen Jules at GRM«, entstanden, wie der Titel anspricht, während eines zweiwöchigen Aufenthalts in den ehrwürdigen Pariser GRM-Studios. Offenbar ein Ort mit günstiger Aura. Die feingemahlenen granularen Drones der beiden Stücke strahlen von Anfang bis Ende eine erhabene, gütige Ruhe aus, die in ihrem gedehnten Zeitmaß auf geradezu magische Art belebt scheint. Den sich zunehmend schärfenden Sinnen bieten sich nichts weiter als aufleuchtende Akkordwolken, zuerst geisterhaft im Dunkel, immer in himmlischer Ferne, aus feinem Streicher-Samt, dann im zweiten Teil in orgelartigen Clustern, die sich in austarierter Spannung abheben vom stehenden Rauchwirbel des Borduns. Wer Biospheres unterschwellige Dramatik oder Thomas Köners Teiltongespenster zu schätzen weiß, kommt hier auf seine Kosten, und auch wer sich an Markus Reuters »Todmorden 513« oder gar an Ryoji Ikedas »Luxus« erinnert, ist hier richtig. Während wir uns an Sound und oberflächlich glatter Struktur das Ohr wärmen, bleibt rätselhaft, wie dieser Minimalismus so fesselnd glückt. Und wieso dieses Meisterstück, das so perfekt auf eine schmucke LP passen würde, nach vollen fünf Jahren schließlich im Format einer CD ans Licht findet.
Marsen Jules
Shadows In Time
Oktaf