Es gibt wenige Künstler:innen, deren Entwicklung ich mit mehr Spannung verfolge als die von Marina Herlop. Die klassisch ausgebildete Pianistin hat in den 2010ern zwei klavier-zentrierte Alben veröffentlicht. Sie sind hörenswert, aber gehen in der Masse an Modernen Kompositionen unter. 2022 folgte mit »Pripyat« ein Paukenschlag: Plötzlich kombinierte Herlop Art-Pop mit Karnatischer (also: traditioneller südindischer) Musik. Ohne ihr Gespür für westliche E-Musik aufzugeben. »Pripyat« ist eins meiner Highlights der aktuellen Dekade.
Entsprechend erfreut war ich, als Herlop ihr Folgealbum »Nekkuja« als Sammlung von Songs ankündigte, die unmittelbar nach »Pripyat« entstanden wären. Doch wie verhält es sich zu seinem Vorgänger? Auch »Nekkuja« bewegt sich in der Matrix von Pop, Moderner Komposition und Karnatischer Musik. »Pripyat« war etwas perkussiver, von Vokal-Techniken wie Konnakol durchzogen. Demgegenüber ist »Nekkuja« orchestraler und setzt vermehrt auf tragende Choral-Arrangements. Auch spielt es stärker mit Atmosphären. »Karada« etwa kombiniert mäandernde Improvisationen mit Vogelgezwitscher und plätscherndem Wasser. Bei eher kürzeren Songs und einer Laufzeit von 26 Minuten führen solche Ausflüge das dazu, dass die Höhepunkte vergleichsweise wenig Raum bekommen. Auch wenn die Interludes, für sich genommen, gut sind. »Nekkuja« ist eines der wenigen Alben, die ich für zu kurz halte – was ein riesiges Kompliment ist
Nekkuja