Man mag denjenigen bedauern, der eines Tages eine Chronik der Musik der 2020er Jahre schreiben muss. Es gibt viel zu tun. Alles, was einmal neu war, bleibt, und alles, was bleibt, wuchert wie das Myzel eines Riesenpilzes zu einem undurchdringlichen Geflecht, das immer neue Fruchtkörper hervorbringt. Allein ein Label wie International Anthem ist musikalisch so breit aufgestellt, dass es als Ausweis für den Eklektizismus eines ganzen Jahrzehnts ausreichen würde. Kein Wunder, dass die Multiinstrumentalistin Macie Stewart nach Arbeiten mit Makaya McCraven, Bex Burch und Rob Mazurek mit ihrem zweiten Soloalbum dort landet.
Stewart entwirft auf »When The Distance Is Blue« eine Art futuristische Kammermusik, deren multistilistische Einflüsse nicht zu »klingt wie«-Momenten führen, weil sie im Moment ihrer Verarbeitung sofort zu etwas Eigenem werden. Es gibt andere musikalische Konstellationen, in denen (präpariertes) Klavier, Violine, Cello, Viola, Bass und Field Recordings aufeinandertreffen, aber selten entwickeln kontemplative Kompositionen für erweitertes Streichquartett eine solche Kraft und Schönheit wie auf diesem Album.

When The Distance Is Blue