Review

M.E.S.H.

Piteous Gate

PAN • 2015

Kunst hat die Angewohnheit, dem Leben immer ein Schritt voraus zu sein. Nehmen wir Googles Deep Dream: Sieht toll und beeindruckend aus und bedeutet für viele die Rettung des stinklangweiligen, veralteten Profilbilds – macht im Grunde aber nicht unbedingt etwas anderes als das, was in der Musik spätestens mit Vaporwave Einzug gehalten hat: Aus den unendlichen Archiven des Internets oder der eigenen Sample-Bibliothek wird alles herausgepickt, was irgendwie Struktur hat und auf im Grunde noch relativ erkennbare größere Strukturen gepflanzt. Fertig. James Whipple, ließe sich schnell denken, ist auch so ein notorischer Archivkrämer im Meta-Modus. Ist er auch. Zeitgleich aber ist er auch Teil der Janus-Crew, die in Berlin dem Diktat von Berghain-Techno und Emo-House einen ganz eigenen Club- und Party-Entwurf entgegensetzten. Zwischen post-moderner Theorie und verque(e)rer Kulturpraxis nun sitzt Whipple mit seinem Projekt M.E.S.H. und schneidet zusammen, was nicht zusammengehört(e): Kammermusik und Trance zum Beispiel. So weit, so nicht unbedingt ungewöhnlich – das Archivfieber trieb schließlich schon die fantastischsten Blüten. Was M.E.S.H. und auch sein Debütalbum »Piteous Gate« auszeichnet, sind seine komplexen Trackstrukturen, die weder in fauler Freiform herumdümpeln noch abgelutschte Formeln nachvollziehen. So wie das exquisite Sounddesign von »Piteous Gate« einerseits zugleich befremdlich und bekannt wirkt, so gibt er selbst mit seinen im Tempo variierenden Beats, die zum Teil völlig aufgebrochen werden, noch genug Anhaltspunkte. Es gibt sie, diese merkwürdigen Momente von Tanzbarkeit und Schweißgeruch, für die die Janus-Nächte stehen, aber auch die absonderlichen Klangerfahrungen, die neben Whipple noch so viele andere ProduzentInnen anpeilen – obwohl es den meisten nicht ansatzweise so gut gelingt wie das auf »Piteous Gate« passiert.