Es wurde unbeabsichtigt das richtige Album zur richtigen (End-)Zeit: Kurz nachdem Locrian ihr ungefähr dreizehntes Studioalbum »Infinite Dissolution« ankündigten, diagnostizierte die Forschung das sechste große Massenaussterben der Erdgeschichte. Wir erinnern uns: Das letzte traf die Dinosaurier. »Infinite Dissolution« widmet sich über gut 47 Minuten in verknappten Lyrics eben genau jenem Thema, das des Aussterbens. Ein Zufall? Die Aluhut-Gang wird nicht dran glauben. Allerdings waren Verfall und Zerfall schon immer Leitmotive in der Musik des Trios Locrian, das sich im letzten Jahrzehnt mit weit über 30 Releases höchstproduktiv zeigte. Ihre Musik selbst spiegelt das wider: Alle Einflüsse von Black Metal bis hin zu Prog Rock werden von Noise- und Industrial-Elementen überspült. Der Krach frisst sich wie Säure durch die ausgedehnten Songstrukturen der Band, Synthie-Flirren und Gitarrenriffs erodieren vor sich hin. Dabei klingt ihr zweites Album für den Metal-Riesen Relapse Records weit besser produziert als noch der Vorgänger »Return To Annihilation«, stringenter sogar, songorientierter und stilistisch noch offener. Neben den von Chants begleiteten Blast Beats, den zurückgelehnten Post-Rock-Anleihen und verhallten Drone-Stücken findet sich sogar eine unheimliche Streicherkomposition wie »KXL II« oder eine Trance-Hommage wie »Heavy Water«. André Foisy, Terence Hannum und Steven Hess haben noch mehr Musik in noch weniger Zeit gequetscht und lassen sie unter Hochdruck oxidieren. Locrians Musik war seit jeher ständig im Verfall begriffen, mit »Infinite Dissolution« hat das Massenaussterben seinen Scheitelpunkt erreicht.
Infinite Dissolution