Neues Label, neues Album: Fünf Jahre nach der Veröffentlichung von »Raw Silk Uncut Wood« bringt Laurel Halo mit »Atlas« die erste Katalognummer ihres Imprints Awe an den Start. Während sie 2018 noch auf Holz klopfte, geht die US-Amerikanerin nun sublime, kontaktlose Wege. Über zehn Tracks hinweg spinnt sie dieses Mal einen zartseidenen Faden aus klassischer Instrumentierung, Verfremdung und Wiederholung. Auf »Atlas« findet sich der elegische Charakter etwa Julia Holters Musik wieder, der auf »Sick Eros« dank der unvermittelten Streichermelodie, die sich aus dem harmonischen Wust erhebt, ins schwermütig Orchestrale driftet. Die clever gesetzten Überraschungsmomente kommen immer wieder vor: »Belleville«, das wie die meisten anderen Stücke auf Halos Piano-Skizzen basiert, schwillt plötzlich, nur für einen Moment, auf beinahe irritierende, pathetische Größe an, die Coby Sey mit kurzem Gesangseinsatz himmelwärts trägt. Das Erhabene auf Dauer bloßzustellen, zu profanisieren, hat sich Halo aber nicht vorgenommen. Der Titeltrack etwa verdichtet Piano und Streicher mit elektroakustischen Mitteln so rigoros, dass sich ein Gemisch aus Wolfgang Voigts GAS-Alben und Wiliam Basinskis Spulen-Ambient ergibt. Auch »Reading The Air« verliert sich im luftleeren Raum, in dem Schönklang und Bedrohung keinen Widerspruch darstellen. Dass dieser ambitionierte Spagat gerade Laurel Halo so gut gelingt, ist keine Überraschung.
Atlas