Wenn man über Kanye West schreibt, kann es ja gar nicht mehr nur um die Musik gehen. Kanye West ist Spektakel, Gegenwarts-Seismograf, und irgendwie auch das verwitterte Bindeglied, an dem sich Pop vor- und nach dem großen Erwachen der Menschen für die Unrosigkeit der Dinge verhandeln lässt. Natürlich: keine Musik existiert im luftleeren Raum – aber so getränkt von zeitgeistigem Phänomen wie im Falle Ye ist sie selten. Cancel Culture, Rape Culture, Trauma, toxische Männlichkeit, die ganzen Buzzwords der Newsfeeds sind Teil dieser Musik, weil man sie unweigerlich mitrezipiert. Weil Kanye West, sein Life und seine Life-Gefährten, einfach zu präsent sind, um es nicht zu tun. Dann schwingen außerdem zu jedem Zeitpunkt die aggressive Religiosität des Protagonisten und die sehr interessante Frage mit, was Schlächter-Gummistiefel als Mode-Objekt über den Zustand des kollektiven Geistes aussagen. Sagen wir es mal so: Man muss eigentlich ein neoliberaler Technokrat sein, um Kanye West 2022 schmerzfrei genießen zu können. Um das Ganze weiter abzukürzen: Kanye West und auch das neue chaotische Epos »Donda« sind tatsächlich dort am spannendsten, wo man in die phänomenologische Betrachtung gezogen wird. Denn auf rein musikalischer Ebene reicht’s einfach nicht. Und das ist kein Hate. Die Messlatte bleibt selbstverständlich alles, was Kanye je gemacht hat. Auf »Donda« finden sich weder seine besten Beats, noch seine absurdesten Lines. Ein Highlight wie »Moon« klingt 1 zu 1 nach einem guten »The Life Of Pablo«-Stück, das DICKE »Praise God« ist nur so dick, weil Travis Scott und Baby Keem heißßßßß sind, auch »Ok Ok« gehört Lil Yachty. Der Rest ist zerfahren, mit gelegentlich Beatswitches to die for, aber vor allem dem dauerhaften Gefühl, dass man endlich wieder ein konzentriertes Album will, anstatt diesen hektischen Playlists. In aller Kürze zum Schluss: 1. Stellenweise immer noch geile Beats, die aber irgendwo zwischen 2016 und 2019 hängen geblieben sind oder dort entstanden sein müssen. 2. Als Rapper wirkt Kanye auf »Donda« nur noch bemüht, Charisma weg, erheiternde WTF-Momente auch nicht mehr gegeben.
Donda